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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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gewesen.
    Grau gekleidet und maskiert, eingehüllt in meinen Schatten, hatte ich ihn gesehen, ehe er mich hatte sehen können. Damals war ich so stolz gewesen, so erfüllt von der Ignoranz der Jugend – denn ich war sogar noch jünger gewesen als der Leutnant –, mir der Anerkennung meiner Göttin gewiss und erregt von der Vorstellung des Erfolgs. Überzeugt, ich wäre der Beste, den es je gegeben hatte, wollte ich nicht, dass tote Wachmänner meinen Rekord hinsichtlich der sauberen Eliminierung eines Königs befleckten. Ich hatte versucht, mich ungesehen an ihm vorbeizuschleichen, aber der Saal war zu hell erleuchtet, und die Dunkelheit, die mich verbarg, verriet folglich zugleich meine Gegenwart.
    Er stürzte sich auf mich, verfehlte mich mit seinem Hieb und gab sich eine gefährliche Blöße, als sich Triss in die eine Richtung schob und ich in die andere, um ihn in die Irre zu führen. Das und seine Position innerhalb der Elite machten ihn zu einer angemessenen Zielperson, und keiner von Namaras Dienern hätte etwas daran auszusetzen gehabt, hätte ich ihn getötet, aber ich wollte nicht, dass Ashviks Tod, der bis dahin so makellos war wie ein einzelner Bogenschuss ins Schwarze, durch andere Pfeile in seiner Perfektion beeinträchtigt wurde. Statt also auf seine Arterie abzuzielen, konzentrierte ich mich auf die Nervenstränge der Leistenregion.
    Närrisch.
    Der Leutnant ging schreiend zu Boden, als mein von der Göttin gesegnetes Schwert seine Schutzbanne durchdrang und tief in seinen Körper fuhr. Ich wirbelte herum und nutzte eine Wand als Hintergrund, ehe ich mit ein wenig zu hochtrabender und schlicht angeberischer Fußarbeit über ihn hinwegsetzte. Der Sprung war ein Ausdruck der Arroganz, der mir jedoch das Leben rettete, als sein steinerner Hund zähnefletschend aus dem Boden brach. Er zerfetzte meinen Stiefel und hinterließ blutige Schrammen in meiner linken Wade. Die Narben trage ich bis zum heutigen Tag, und ich hatte sie stets als geringen Preis für die Lektion betrachtet, die ich jenem Zusammentreffen verdankte.
    Nie darf man zulassen, dass der eigene Stolz die Professionalität übertrumpft. Nicht wenn man am Leben bleiben will.
    Im Kampf muss man die Leute in zwei Kategorien aufteilen: Da gibt es die Zielpersonen, und da gibt es alle anderen, und man tötet die Zielpersonen. Ausnahmslos. Das hatte ich damals vergessen, und es hätte mich beinahe mein Leben gekostet. Nun, da der Oberst sich näherte, mit einem Humpeln, das er mir verdankte, fragte ich mich, ob das »beinahe« nun aus der Geschichte getilgt werden sollte. Falls es so käme, wäre das ein bitterer Zufall, wenn auch keiner, der mich gänzlich überraschend träfe.
    Zunächst einmal waren die Angehörigen der Elite noch nie sonderlich zahlreich gewesen, diese Magier und ihre Vertrauten, aus denen sich die aktive Offiziersklasse der Krongarde zusammensetzte. Die meisten dieser Magier blieben stets in der Nähe des Herrschers und der Hauptstadt, wenn auch ein paar von ihnen dauerhaft nach Vangzien zum Sommerpalast abkommandiert worden waren oder nach Anyang, wo gelegentlich im Winter Hof gehalten wurde.
    Als nun jedoch der Oberst an unserem Tisch eintraf und mir die Zeit zum Nachdenken ausgegangen war, hob ich den Blick von seinen Stiefeln zur Tischplatte und beließ ihn dort. Die Mühe, die es mir bereitete, die Schultern hängen zu lassen und eine unterwürfige Haltung einzunehmen, statt den Rücken zu einer lockeren Bereitschaftshaltung aufzurichten, fühlte sich an wie ein Felsbrocken, der auf meinem Geist und meinem Rückgrat lastete.
    »Hauptmann Fei«, sagte der Oberst äußerst knapp und in einem abschätzigen Ton, der eher an eine Anklage als an eine Begrüßung erinnerte.
    »Oberst Deem.« Fei senkte den Kopf zu einer Geste, die irgendwo zwischen dem Nicken eines Ebenbürtigen und der Verbeugung eines Untergebenen angesiedelt war.
    »Neuigkeiten?«
    »Noch nicht.« Fei schniefte und nickte in meine Richtung. »Ich habe recherchiert, während ich auf Euch gewartet habe.«
    »Dann ist dies eine Person von Interesse?« Es schien, als würde Deem mich nun zum ersten Mal wirklich ansehen.
    Fei gab ein bellendes Gelächter von sich, dass sich in meinen Ohren ein bisschen falsch anhörte. »Nein. Aral ist nur ein heruntergekommener Löhner, den ich gelegentlich anheuere. Ich dachte, er könnte vielleicht etwas gehört haben, das noch nicht über die Schatten hinaus bekannt geworden ist.«
    »Aral?« Deem trat noch näher, und ich

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