Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
Vom Netzwerk:
für eine lange Zeit danach nicht erkannt hatte.
    »Wie willst du es tun?«, fragte Devin.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich es tun muss.« Für einen kurzen Moment spürte ich, wie die enorme Tragweite dessen, wozu ich ausersehen war, wie ein gewaltiges Gewicht auf mir lastete, sah die Barrieren, die vor mir lagen – die Reise, den Aufwand, die Elite und ihre steinernen Hunde –, aber nur für einen Moment.
    »Wir werden zur Göttin gehen müssen«, sagte Triss einen Augenblick später. »Direkt zur Göttin. Wir müssen sie bitten, dir dein Kīla vorzeitig zu geben und dich zum Schwertführer zu machen. Du musst deinen Seelendolch in den Altar stecken, ehe du gehst. Du kannst Ashvik nicht ohne ein Auge und deine Schwerter nachstellen.«
    Er hatte natürlich recht. Ich musste mir den offiziellen Segen der Göttin holen. Ohne ihn wäre ich nichts weiter als ein gewöhnlicher Meuchler.
    »Ich gehe sofort zu ihr.« Ich machte auf dem Absatz kehrt und trat den Rückweg am Ufer an.
    Devin packte meinen Arm. »Sei kein Narr, Aral. Selbst wenn die Göttin zustimmt, werden die Meister dich nicht gehen lassen. Der einfachste Weg, dich zu hindern, liegt darin, dafür zu sorgen, dass du gar nicht erst zur Insel übersetzt. Wenn du dabei gesehen wirst, wie du in eines der Boote steigst, werden sie Bescheid wissen und dich aufhalten. Du musst nach Einbruch der Dunkelheit zu ihr gehen, und du musst schwimmen.«
    »Guter Einwand. Aber wie kriege ich meine Schwerter über den See?«
    Zur Insel zu schwimmen bereitete mir keine Sorgen. Es war beinahe eine halbe Meile, und in dem See gab es Dinge, die die Unachtsamen fraßen, aber ich war in der Ausbildung schon weitere Strecken geschwommen, und ich war sicher, die Kreaturen würden mir nichts tun, weil die Göttin selbst mich gerufen hatte. Aber das Gewicht all dieses Stahls wäre ein Problem.
    Dann hatte ich es. »Ich kann mir einen Binsenkorb aus dem Tempel der Fischer borgen.« Sie benutzten die schwimmenden Körbe, um die Fische frisch zu halten, wenn sie in den Untiefen zum Fischstechen gingen.
    Devin nickte. »Guter Plan.«
    Und Zass fragte: »Wann?«
    »Ich warte bis eine Stunde nach Sonnenuntergang, ehe ich mir einen Korb schnappe – ich glaube, es ist besser, ich bitte nicht darum –, dann ziehe ich los. Ich wünschte, ich könnte mir mehr Zeit nehmen, aber ich will weit vor Sonnenaufgang unterwegs sein, und ich brauche mindestens eine Stunde, um mit dem Korb zur Insel und zurück zu schwimmen. Was den Rest angeht ...« Ich zuckte mit den Schultern.
    Ich würde die Göttin anrufen müssen. Wie lange sie sich Zeit lassen würde, um zu entscheiden, welche Antwort sie mir erteilen wollte, darüber wollte ich gar nicht nachdenken. Gewiss, ichwar gerufen worden, aber ich wusste auch, dass die Göttin aktiv wurde, wann und wie sie es wünschte. Näherte ich mich ihr mit Arroganz im Herzen ...

    Wieder und wieder presste ich die Stirn an den vom Alter geglätteten Granit der Pflastersteine, die den heiligen Teich umgaben, und betete still um die Erlaubnis, Ashvik dem starren Auge der Gerechtigkeit auszuliefern. Ich blickte hinaus auf die Mitte jenes Sees, den die Göttin zu ihrem Heim gemacht hatte. Ein natürlicher, steinerner Bogen trennte den Teich von dem größeren Gewässer und sorgte für die stete Zufuhr von Frischwasser.
    Triss war bei mir, in der Dunkelheit aber kaum zu erkennen, zumal er beschlossen hatte, sich nicht in den Prozess hineinziehen zu lassen. Die Göttin anzurufen war eine Herausforderung, der ich mich allein zu stellen hatte.
    Ich bemühte mich, frühere Eindrücke von diesem Ort aus meinem Kopf zu vertreiben und nur an meine Mission zu denken, von der ich hoffte, dass die Göttin sie mir anvertrauen würde. Ich bemühte mich, die Erinnerung an Alinthides Kīla in den Händen der Priesterin zu vertreiben, einen Moment bevor sie ihn in den Teich geworfen hatte, aber ich schaffte es einfach nicht. Wieder einmal folgten die Augen meines Herzens dem Geist des Seelendolchs, als dieser durch die Luft flog und im Wasser landete. Sie schauten zu, wie er mit widernatürlicher Langsamkeit in den schattigen Tiefen versank, konzentrierten sich auf die letzte Stelle, an der er zu sehen gewesen war, als wäre der Teich eine Art wässriges Fenster in die Finsternis des Todes.
    Doch dieses Mal fand ich in gewisser Weise eine Antwort in dem Frieden des Grabes und der Stille des tiefen Wassers, einem Ort, an dem ich alle Gedanken loslassen konnte, sogar

Weitere Kostenlose Bücher