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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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das alles Neuland. Was auch immer sich zugetragen hat, ist jedenfalls nicht während der Unterrichtszeit oder auf dem Schulgelände passiert. Trotzdem sollten sie vielleicht doch die Option eines Schulwechsels ins Auge fassen. Aber wer würde Jake jetzt noch nehmen? Richard beschleicht ein Gefühl der Bestürzung. Seit wann hält denn jemand Jake für ein Problemkind? Richard ist immer so stolz auf ihn gewesen. Er streckt die Hand aus, um Jake die Schulter zu tätscheln. Jake hebt dankbar den Blick, und Richard drückt ihm ein wenig die Schulter. Dann zieht er die Hand wieder weg.
    »Das zweite potentielle Problem ist«, fährt O’Halloran fort, »wenn die Eltern des Mädchens beschließen, eine Klage anzustrengen.«
    »Und was ist mit ›Verbreitung von Kinderpornografie‹?«, will Richard wissen. »Ist er geschützt, weil er noch minderjährig ist?«
    »Das können wir alles später besprechen.« O’Halloran nickt Jake aufmunternd zu. »Wir müssen genau wissen, was sich abgespielt hat. Von Anfang bis Ende, in deinen eigenen Worten.«
    »Sag einfach die Wahrheit, mein Schatz«, sagt Lizzie. Sie spricht mit Jake, starrt jedoch Richard an.
    »Und nichts weglassen«, sagt Richard. »Das Mädchen hat sich an dich rangemacht, stimmt’s? Sie hat dir die E-Mail geschickt. Sie hat dich nie gebeten, es nicht weiterzuleiten …«
    Jake nickt, sein Blick geht zwischen beiden Eltern hin und her.
    O’Halloran schaut auf die Bücherregale. Richard fällt auf, dass mit seinen Augen etwas nicht ganz stimmt. Sie wirken so seltsam ausgeschaltet, ohne jedes innere Leuchten. Es sieht fast so aus, als wäre er blind.
    »Als ich jung war«, sagt O’Halloran, »war ich in den Catskills im Sommerlager. Zwei von den Kids fotografierten sich gegenseitig nackt – ein Mädchen und ein Junge. Ich glaube, wir waren damals jünger als unser Jacob hier, elf oder zwölf vielleicht, und die Bilder, damals waren es noch Polaroids, wurden zwischen den Stockbetten herumgezeigt und fielen einem Betreuer in die Hände. Das Mädchen wurde nach Hause geschickt – sie war vorher schon bei was anderem erwischt worden, beim Rauchen oder Naschen oder sonst was –, es ist schon so lange her, ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Ich hatte die ganze Episode längst vergessen, bis Sie anriefen … Der Junge bekam eine Probezeit aufgebrummt. Währenddessen durfte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Das war’s. Den Rest überließ man dem Gutdünken der Familien.«
    »Es sollte ja eigentlich eine Familienangelegenheit sein«, sagt Lizzie. »Ich verstehe immer noch nicht, wieso wir das nicht alles privat regeln können.«
    O’Halloran wendet sich Jake zu, den Blick irgendwie immer noch in die Ferne gerichtet. »Der Junge war ich.«
    Jake lächelt zaghaft.
    »Mein Vater hat mir den Arsch versohlt, Verzeihung …« – an dieser Stelle wendet O’Halloran den Kopf, aber nicht den Blick, zu Lizzie hinüber. Vielleicht stimmt was nicht mit seinen Pupillen. Womöglich waren die gerade erweitert worden? »Als ich nach Hause kam, hat er mich gehörig zusammengestaucht, aber nachdem meine Mutter nicht mehr im Zimmer war, flüsterte er mir ins Ohr: ›Wie der Vater, so der Sohn.‹«
    Lizzie weiß nicht, wie sie darauf reagieren soll. Richard beobachtet, wie sie erst dankbar, dann amüsiert, dann entsetzt dreinblickt. Ihr Gesicht ist so ausdrucksstark, dass es ihm schon immer so vorkam, als könnte er ihre Gedanken lesen. Richards Gesicht ist genau das Gegenteil. Einmal, es war noch gar nicht so lange her, hatte Lizzie quasi im Scherz gefragt: »Was ist, wenn ich denke, du bist in tiefschürfende Gedanken versunken, und dabei überlegst du bloß, was du gestern Abend im Fernsehen gesehen hast?« Als würde das, wenn er es bestätigte, beweisen, dass sie in Wirklichkeit ihr Leben verschwendet hatte. Besonders als sie noch jünger waren, hatte sie sich oft gewünscht, er würde sich mehr öffnen, mehr Vertrauen zu ihr haben, und er hatte sich redlich bemüht. Doch Richard kann nun mal nicht aus seiner Haut heraus und hat im Lauf der Jahre erkannt, dass Lizzie diese, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, »Zurückhaltung« offenbar doch schätzt. Sie kann damit leben. Wie Richard selbst sieht sie seine Beständigkeit als etwas Verlässliches.
    »Kids sind nun mal so.« O’Halloran zuckt die Achseln. »Sie machen Dummheiten.« Er starrt vor sich hin. »Was Sie alle hier aber nicht begreifen: Bei diesen E-Mail-Geschichten, da existiert so etwas wie

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