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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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Richard. Er macht dem Barkeeper ein Zeichen und kommt quer durch den Raum herüber. »Ein Mineralwasser, bitte, Joe. Mit Limette.«
    »Ich bin dir sehr verbunden, Paul.« Zur Begrüßung steht Richard auf, als Paul näher kommt.
    »Pah, Mann«, wehrt Paul ab und bedeutet ihm, sich wieder zu setzen. Er zieht sich einen Stuhl her. »Mich interessiert nur eins: Ist sie hübsch?«
    Richard würde ihm am liebsten eine kleben, wenn er könnte. Aber er kann nicht. Er will ihn ja schließlich um einen Gefallen bitten. Er steckt sich wieder eine Erdnuss in den Mund.
    »Sie ist ein Kind, Paul. Er ist ein Kind. Das sind noch Kids, die beiden. Weißt du noch, als wir Kids waren?«
    »Ich weiß noch, als du eins warst. Ist dein Junge denn ein echter Aufreißer wie sein Vater?«
    Richard nippt an seinem Scotch. Nicht nach seiner Pfeife tanzen, denkt er. Der will, dass du nach seiner Pfeife tanzt.
    Er schaut zu Paul hoch. Überrascht merkt er, dass ihm die Augen feucht werden. Er ist ein Vater, dessen Kind in Schwierigkeiten ist.
    »Okay, kapiert«, sagt Paul. »Was ist der Vorspann?«
    »Sie hat es ihm geschickt, Paul. Er war völlig nichtsahnend, total unvorbereitet. Er hat nicht drum gebeten. Er wollte es nicht. Er hat es an seinen besten Freund weitergeleitet, und der Rest ist Geschichte.«
    »Der Vorspann?«, sagt Paul, als Joe, der Barkeeper, mit seinem Getränk herüberkommt. »Danke, Joe.«
    »Der Schuldirektor hat es sich in Gegenwart von Lizzie und dem Jungen angeschaut. Lizzie meint, es sah so aus, als wär’s ihm dabei gekommen. Sein Bein hätte gewackelt, als würde er sich einen runterholen.«
    Paul fängt an zu grinsen. »Hiihuu! Ein hübsches Bild.«
    »Ihr alter Herr ist zirka fünfzig Millionen schwer. Sie ist reich, verwöhnt, eine typische Wohlstandswaise .« Praktischerweise fällt ihm Lizzies Ausdruck ein. »Die lassen sie übers Wochenende allein, unbeaufsichtigt. Sie lädt sich die ganze Schule zu einer Party ein. Im Obergeschoss haben welche Sex, es wird gekifft, vielleicht sogar gekokst. Sicher bin ich mir nicht, es ließe sich aber leicht herausfinden … Die Eltern betreiben angeblich Geldwäsche auf Zypern. Was noch? Er ist vom Unterricht ausgeschlossen worden, bekommt also null Punkte für jede verpasste Prüfung. Das ist das Aus fürs College, Paul. Seine Mitschüler sind auf seiner Seite. Die protestieren vor dem Schultor mit Plakaten für ihn. Ist das ausreichend?«
    »Das ist ausreichend«, erwidert Paul. »Vielleicht sollten wir überlegen, ob wir da selber eine Geschichte bringen.«
    »Paul«, mahnt Richard.
    Paul lehnt sich in seinen Stuhl zurück. »Okay, okay, wir hatten im Sommer eine junge Praktikantin, inzwischen ist sie freie Mitarbeiterin beim Observer. Ich geb dir ihre Handynummer.«
    »Es sah aus wie eine Juniorausgabe von Skandalmädchen . Keine Ahnung, wo die Kleine das Zeug gelernt hat«, sagt Richard.
    »Mehr als ausreichend«, sagt Paul.
    Abends geht Richard ins Kino. Er hätte auch nach Hause gehen können, tut es aber nicht. Er hätte zu Hause bei den Kindern mithelfen können, wollte es aber nicht. Er wollte Matrix Reloaded sehen. Matrix hatte er seinerzeit ganz toll gefunden. Ein großartiger Actionfilm, ihm gefielen die Anklänge an Hongkong-Actionfilme und Spaghettiwestern. Und an den japanischen Zeichentrickfilm. Westliche Religion und östliche Philosophie. Er fand es toll, wie Neo, der Held, aus der Zwangsjacke seines Lebens ausbricht und schließlich das wahre Wesen der Welt entdeckt und beherrscht. Doch nachdem er seine zehn Dollar und fünfundzwanzig Cents entrichtet hatte (»Seit wann kostet es einen Vierteldollar mehr?«, fragte er die Frau am Kartenschalter. »Seit 1. Januar«, erwiderte sie. »Gehen Sie denn nie ins Kino?«), fand Richard Matrix Reloaded schrecklich. Schrecklich, weil grottenschlecht. Der Film nahm sich selber viel zu ernst. Was am ersten Film großartig gewesen war, wurde hier schwerfällig und langweilig.
    Er hat sich nicht bei seiner Frau abgemeldet, und als er jetzt die Wohnung betritt, sitzt Lizzie in einem von seinen alten Stanford-T-Shirts auf dem Sofa. Er weiß aus Erfahrung, dass die Armlöcher vom häufigen Tragen und Waschen schon ganz zerrissen sind und das Hemd, obwohl unförmig, einen tollen Blick auf ihre Brüste freigibt. Aber nicht heute Abend. Nicht nach Paul. Nicht nach dem beschissenen Film. Sie sitzt im Dunkeln aufrecht auf dem Sofa, ihr Laptop leuchtet auf dem Sofatisch. Ihr Gesicht ist vom blauweißen Leuchten erhellt, fast

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