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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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noch nicht getragenes Hemd und riß es in Streifen. Wie alles andere knirschte es von dem Sand der Trockenstädte, war jedoch sauber.
    Sie mußte den alten Verband und dann das Hosenbein mit einem Messer aufschneiden, weil beides mit verklumptem Blut an der Wunde klebte. Nira fluchte halblaut, zuckte jedoch nicht zusammen, als Rohana die häßliche Schnittwunde mit saurem Wein auswusch – wenigstens ist das Zeug zu irgend etwas gut, dachte sie –, ein zusammengelegtes Stück Stoff dagegendrückte und sie fest verband. »Das müßte genäht werden, aber das traue ich mich bei Mondschein nicht. Wenn die Wunde von neuem zu bluten beginnt, werde ic h tun, was ich kann, sobald es hell wird.«
    Nira dankte ihr. »Wenn dieser Schurke Jalak bloß seine Waffen nicht vergiftet – man hört solche Dinge von den Trockenstädtern…«
    »Das tut er nicht«, sagte Melora neben ihnen leise, und Rohana, die gerade die Überreste des zerrissenen Hemds faltete, blickte auf und sah ihre Cousine dort stehen. Sogar bei Mondschein war zu erkennen, daß ihr Gesicht gedunsen und ungesund wirkte. »Jalak hält das für den Brauch von Feiglingen; es würde bedeuten, daß seine Streiche nicht die Kraft haben zu töten, und damit verlöre er kihar – Prestige, würdet ihr sagen. Wenn er sich herabließe, eine Klinge zu vergiften, stände er vor Männern seines eigenen Ranges beschämt da.«
    Nira stand mühsam auf und schnitt eine Grimasse, als sie das verwundete Bein belastete. Sie zog den Stiefel an, der voller Sand war. »Das ist ein tröstlicher Gedanke, Lady«, meinte sie trocken. »Ich wüßte allerdings gern, ob es eine Tatsache oder nur ein Gefühl ist, das sich für eine liebende Ehefrau ziemt.«
    »Es ist die Wahrheit, bei der Ehre meines Hauses«, erklärte Melora ruhig, wenn auch mit zitternder Stimme, »und nur meine eigenen Götter wissen, wie wenig lie bende Ehefrau ich Jalak war. Ich war nichts anderes als eine Schachfigur für seinen schmutzigen Stolz.«
    »Ich wollte Euch nicht beleidigen«, erwiderte Nira, »aber ich entschuldige mich auch nicht, Lady. Ihr habt volle dreizehn Jahre in seinem Haus gelebt, und Ihr seid nicht gestorben. Ich wäre nicht zur Schande meiner Verwandten am Leben geblieben, obwohl mein Vater kein großer Comyn-Lord, sondern nur ein Kleinbauer in den Kilghardbergen ist.«
    »Ihr habt Blut in meinem Dienst vergossen, mestra. Fühlte ich mich von Euch beleidigt, wäre mein Stolz ebenso groß und so schlecht wie der Jalaks. Und was mein eigenes Leben betrifft – könnt Ihr in der Dunkelheit sehen?« Sie streckte die Arme aus, faßte Niras Hände und leitete sie. Auch Rohana sah und fühlte die rauhen Schwielen von den metallenen Armbändern an der Kette, und über ihnen saß an beiden dunkelgebräunten Handgelenken eine lange, gezackte, wulstige Narbe. »Ich werde diese Narben bis zu meinem Tod tragen«, sagte Melora. »Ich wurde bei Tag und auch bei Nacht angekettet – so fest, daß ich nicht einmal allein essen konnte und von den Frauen gefüttert und ins Bad und zur Latrine getragen werden mußte.« Ihre Stimme bebte vor Zorn über die erlittenen Demütigungen. »Als die Wunden geheilt waren, bewegte sich das Kind in mir schon, und ich wollte das Ungeborene nicht gleichzeitig mit mir töten.« Sie sah zu ihrer schlafenden Tochter hin. »Wie ist es euch gelungen, sie herauszuholen? Jalak hatte sie in die Obhut seiner grimmigsten Wächterin gegeben…«
    Leeanne war rechtzeitig von der Hügelkuppe zurückgekehrt, um das zu hören. Sie berichtete: »Bisher gibt es kein Anzeichen für eine Verfolgung. Nicht einmal eine Sandratte scheint sich zwischen hier und Shainsa zu bewegen. Was die Kinderfrau Eurer Tochter angeht, Lady, so wird sie aus ihrem Schlaf nicht wieder erwachen. Ich liebe es nicht, Frauen zu töten, aber sie griff mich mit einem Dolch an. Es tat mir leid, sie vor den Augen des Kindes niederstechen zu müssen, doch ich hatte keine andere Wahl.«
    »Ich werde nicht um sie weinen.« Melora verzog das Gesicht. »Tatsächlich glaube ich, daß sogar in Jalaks Haus wenig um sie geweint werden wird. Sie war meine oberste Gefängniswärterin, bevor Jaelle geboren wurde, und ich haßte sie mehr als Jalak selbst. Er war grausam, weil es seine Art und er so erzogen worden war; sie dagegen war grausam, weil sie Freude am Schmerz anderer hatte.« Sie wandte sich Rohana zu; erst jetzt fanden sie Zeit für eine schnelle, verlegene Umarmung. »Breda… ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es kein

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