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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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den Anfang haben sie den Raumhafen hier auf fünfhundert Jahre gepachtet, so daß uns viel Zeit bleibt zu entscheiden, was wir von ihnen lernen wollen.«
»Ich verstehe«, sagte Kindra und verstummte. Sie dachte darüber nach, betrachtete den gewaltigen Einschnitt am Horizont, wo fremdartige Maschinen umherkrochen und unbekannte Strukturen zum Himmel aufwuchsen.
Auch Rohana schwieg. Auf dieser letzten Meile ihres Ritts kam es ihr vor, als wechsele sie auf merkwürdige Weise die Welten. Fast vierzig Tage lang hatte sie in einer Welt gelebt, die ihr so fremd war, wie es ihr die Welt der Terraner da unten sein würde. Dann hatte sie sich ihr angepaßt, und nun mußte sie sich darauf vorbereiten, wieder in ihre eigene einzutreten.
Anfangs war ihr die Welt, in der die Amazonen lebten, hart und jeder Bequemlichkeit bar, seltsam und einsam vorgekommen. Dann hatte sie gemerkt, daß die Seltsamkeit nicht in erster Linie von dem Mangel an Bequemlichkeit herrührte. Es war ganz anders. Man konnte sich leicht an lange Stunden des Reitens, an ungewohnte und häßliche Kleidung, an das Baden in einem Bach oder Fluß, wo es eben möglich war, und an das Schlafen in Zelten oder unter freiem Himmel gewöhnen.
Dagegen war es längst nicht so leicht, die Geborgenheit und den Schutz und die eingefahrenen Denkweisen aufzugeben. Bis zu dieser Reise war ihr nie bewußt geworden, wie viele ihrer Entscheidungen, selbst über kleine persönliche Angelegenheiten, sie Vater und Brüdern oder, seit sie verheiratet war, ihrem Mann überlassen hatte. Sogar Fragen wie Soll ich ein blaues oder ein grünes Kleid anziehen? Soll ich für das Essen heute abend Fisch oder Geflügel bestellen? waren weniger nach ihrem eigenen Geschmack entschieden worden als nach Gabriels Wünschen. Bis Jaelle und der neugeborene Val in ihre Obhut gekommen waren, hatte sie nie darüber nachgedacht, wieviel von dem, was sie zu den Kindern gesagt oder für sie getan hatte, direkt oder indirekt davon abgehangen hatte, ob es Gabriels Billigung finden würde.
Immer wieder kehrte ein seltsamer, schmerzlicher, beinahe verräterischer Gedanke zurück: Werde ich mich jetzt, da ich gelernt habe, eigene Entscheidungen zu treffen, jemals wieder damit zufriedengeben, Gabriel für mich bestimmen zu lassen?
Oder, wenn ich mich doch wieder unterordne, tue ich es dann nur aus dem Grund, weil es soviel leichter ist, genau das zu tun, was von einer Frau meiner Kaste erwartet wird?
Sie hatten die großen Stadttore von Thendara passiert, und Leute blieben stehen und starrten die ComynDame in der Gesellschaft einer Amazonengruppe an. Innerhalb der Stadt schickte Kindra die meisten Freien Amazonen in das Gildenhaus von Thendara. Nur von Kindra, Jaelle und der Amme mit dem Säugling begleitet, ritt Rohana zur Comyn-Burg weiter.
In der Suite, die seit unzähligen Jahren dem ArdaisClan gehörte, rief Rohana die wenigen Diener zusammen, die das ganze Jahr über dortblieben – die meisten kehrten mit ihren Herren nach Burg Ardais heim, wenn die Ratssitzungen vorüber waren –, und ordnete an, man solle die Amme und das Kind gut unterbringen und Kindra als geehrten Gast behandeln. Für Jaelle, die sie als ihre Pflegetochter vorstellte, ohne in Einzelheiten zu gehen, sei ein bequemes Zimmer in der Nähe ihres eigenen einzurichten sowie passende Kle idung zu besorgen.
Sie schickte eine Botschaft, in der sie ihre Rückkehr bekanntgab, an die Prinzessin. Dann bereitete sie sich seelisch auf das Unvermeidbare vor: die schockierte Reaktion ihrer Zofe auf das abgeschnittene Haar, die ganz und gar unschickliche Kleidung, den Zustand ihrer Hände und ihres Teints, vom Reiten und Leben im Freien rauh geworden.
Noch schlimmer wird es sein, wenn ich nach Ardais zurückkehre. Warum muß ich eigentlich immer schön sein? Ich bin weder Tänzerin noch Sängerin. Und meine gute Heirat habe ich vor langer Zeit gemacht. Aber es gibt Leute, deren Meinung nach die Rettung Meloras mit meinem Haar und meinem Teint zu teuer erkauft sei!
Und trotzdem, wenn sie sich auch über das Zungenschnalzen und Schelten der Zofe ärgerte, tat es doch gut, wieder der Länge nach in einem heißen Bad, mit Balsam parfümiert, zu liegen, die rauhe, aufgesprungene Haut mit Cremes und heilenden Lotionen zu pfle gen und weiche, weibliche Kleidungsstücke anzuziehen.
Als sie fertig war, traf eine Nachricht von Lady Jerana ein, daß sie sie empfangen wolle und daß Lord Lorill Hastur auch die Anführerin der Freien Amazonen zu sehen

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