Die Zerbrochene Kette - 6
Sitzung vor ihrer Abreise, in der sie Magda instruiert hatte, Verständnis gezeigt.
»Ich reiste einmal verkleidet mit einer Gruppe von
Freien Amazonen«, erzählte sie. »Ich mußte mein Haar abschneiden, und ich erinnere mich noch gut, wie entsetzt ich war. Ich weinte, und sie lachten mich aus. Für mich war es noch schlimmer als für dich. Du bist niemandem verantwortlich, aber ich wußte, wie böse mein Mann werden würde, wenn er es sah.«
Magda hatte gefragt: »Und wurde er böse?« Rohana lächelte gedankenverloren. »Schrecklich. Es war nun einmal geschehen, und er konnte nichts mehr daran ändern. Aber ich spürte seinen Zorn fast ein Jahr lang, bis das Haar zu dem, was er eine ehrbare Länge nannte, nachgewachsen war.«
Magda hörte, daß der Graupelschauer langsam nachließ, und kroch aus ihrem Schlafsack. Zitternd in der feuerlosen Hütte, fuhr sie schnell in die Kleider, die Lady Rohana ihr besorgt hatte: weite Hosen, ein langärmliges, hochgeschlossenes Unterhemd aus besticktem Leinen, eine pelzbesetzte Jacke und einen Reitmantel. Lady Rohana hatte sogar Magdas Fuß gemessen und einen Diener auf den Marktplatz geschickt, Stiefel zu kaufen. Magda schnürte die hohen Stiefel zu, führte die Tiere nach draußen, fütterte sie von den Vorräten im Schuppen nebenan und steckte die vorgeschriebene Zahl von Münzen in die mit einem Vorhängeschloß versehene Büchse. Das Wasser im Trog war gefroren; um die Tiere zu tränken, mußte sie das Eis mit dem kleinen Hammer an ihrem Sattel aufklopfen. Während die Tiere fraßen und tranken, kehrte sie in die Hütte zurück, machte Feuer, kochte Wasser und rührte es in die vorgekochte, pulverisierte Mischung aus Korn und Nüssen, die eine Art Instantbrei ergab. Mit ein paar Stücken Trokkenobst war er eßbar, wenn man daran gewöhnt war.
Das Lösegeld in der Form von Kupferstangen, der Standardwährung auf Darkover, war sicher in ihren Satteltaschen versteckt. In terranischem Geld war es nicht mehr als zwei Monate Gehalt für einen guten Agenten; man würde sich wahrscheinlich nicht einmal die Mühe machen, es von Peters Gefahrenzulage abzuziehen.
Warum tue ich das? Peter ist ein erwachsener Mann und kann auf sich selbst aufpassen. Ich bin nicht seine Hüterin. Ich bin nicht einmal mehr seine Frau. Und meine Liebe zu ihm ist tot. Also warum? Auf diese Frage, die sie im Unterbewußtsein ständig quälte, fand sie keine Antwort. Die Anzeigetafel neben der Hütte nannte die nächsten drei Unterkünfte auf diesem Weg. Magda blieb davor stehen. An einem Tag zu erreichen war die erste von einer großen Karawane mit schwerbeladenen Packtieren, die zweite von einer Gesellschaft, die nicht allzu schnell, aber ohne viel Gepäck ritt, und die dritte von einem einzelnen Reisenden, der sich anstrengte. Vielleicht kann ich heute nacht dort schlafen … Sie wandte sich von der Tafel ab und ritt weiter. Erst wußte sie nicht, woher das leise Unbehagen kam – dann fiel es ihr ein.
Ich bin aus der Rolle gefallen, als ich die Anzeigetafel gelesen habe. Darkovanerinnen können nicht lesen… Diese Kunst war auf Darkover nicht einmal unter den Männern allgemein verbreitet, obwohl die meisten fähig waren, ein Plakat auszubuchstabieren und ihren eigenen Namen zu kritzeln. Bei Frauen war das eine Seltenheit. Ihre Spielgefährtinnen in Caer Donn waren erstaunt, ein bißchen schockiert und auch ein bißchen neidisch gewesen, als sie entdeckten, daß Margali lesen konnte und ihr eigener Vater sie unterrichtet hatte. Aus der Rolle gefallen… Verdammt noch mal, diese ganze Reise paßt nicht zu meiner Rolle.
Magda schnalzte ihrem Pferd zu. Rohana hatte sie gewarnt: »Ich bin mit den Freien Amazonen geritten, aber nicht als eine von ihnen, und ich mache mir nicht vor, alle ihre Sitten und Gebräuche zu kennen. An deiner Stelle würde ich jedes Zusammentreffen mit echten Amazonen vermeiden. Glücklicherweise wissen die Leute in den Bergen, durch die du kommen wirst, gar nichts über sie. Deshalb wird niemand deine Verkleidung durchschauen, wenn du vorsichtig bist.«
Und sieben Tage lang war auch alles gutgegangen, obwohl sie einmal die Reiseunterkunft mit zwei Männern hatte teilen müssen, Händlern aus den fernen Bergen. Nach Gesetz und Brauch waren diese vor Jahrhunderten aufgestellten Unterkünfte geheiligte Orte der Neutralität. Sogar in Kriegszeiten wurden sie von den Grenzpatrouillen in Ordnung gehalten und mit Vorräten versehen, und sie standen jedem Reisenden zur Verfügung,
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