Die Zerbrochene Kette - 6
Häschen, wolltest du uns fragen, ob wir einen Schluck zu trinken für dich hätten?«
O Gott, was habe ich getan! Ich bin verantwortlich für den Bruch des Friedens in einer Unterkunft, wenn ich die anderen Frauen mit hineingezogen, wenn ich diese Männer auf den Gedanken gebracht habe …Sie tastete nach ihrem Messer, und zu ihrem Entsetzen fiel ihr ein, daß sie es bei ihren Satteltaschen hatte liegenlassen.
»Was ist, chiya! Hast du kein Wort zu sagen? Nun, wir werden dir die Zunge schnell genug lösen«, sagte Schnauzbart. Magda spürte seinen stinkenden, alkoholgeschwängerten Atem heiß auf ihrem Gesicht; der bösartige Schnurrbart kratzte ihre Wange. Er riß ihr das Unterhemd von den Schultern. »Das ist ja eine Hübsche! Hör auf zu schubsen, Rannar, du kommst auch noch an die Reihe – ich habe die hier gefangen. Wenn du ein Mädchen willst, weck dir selbst eins auf!« Seine Hände glitten über Magdas nackten Körper. Sie zuckte zurück, faßte seinen Arm und versuchte, ihn mit einem Judogriff zu werfen. Er wich ihr mit einem Seitenschritt aus und höhnte: »He, Hübsche, ich kenne einen Trick, der zwei von dem da wert ist! Du bist also eine Kämpferin? Mit der werden wir wirklich Spaß bekommen«, rief er seinen Gefährten zu. Magda hatte kein Gefühl mehr im Arm.
Was ist los mit mir? Er faßte ihre Schulter und verrenkte sie grausam. Magda konnte einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken.
»Und jetzt keinen Unsinn mehr, Schätzchen. Sei ein braves Mädchen, und wir werden dir nicht weh tun, nein, überhaupt nicht weh tun«, murmelte er und umschloß mit seinen heißen Händen ihre Brüste. Sie schlug ihm heftig mit dem Handrücken auf den Mund. In Zorn geratend, schleuderte der Betrunkene sie auf den Boden, wo sie halb bewußtlos liegenblieb. »Verdammt noch mal, du Schlampe, so nicht! Halt sie fest, Rannar…«
Sie wehrte sich stumm, voller Angst, wenn sie den Mund öffnete, könne ihr ein Wort in Terra-Standard entschlüpfen. Die Räuber scharten sich um sie und johlten dem Mann, der sie festhielt, Ermunterungen zu. Magda war seit ihrem sechzehnten Lebensjahr im waffenlosen Kampf trainiert worden. Sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen, in sich die Kraft zu einer wirksamen Gegenwehr zu finden, doch sie wurde eisern festgehalten.
Warum kann ich mich nicht verteidigen? Wie ist es mit mir bis dahin gekommen? Plötzlich erkannte Magda die Antwort, blitzartig, wie vor den Augen eines Ertrinkenden sein ganzes Leben vorbeiziehen soll. Ich habe mich jahrelang darauf konditioniert, mich wie ein normales darkovanisches Mädchen zu benehmen. Und die sind zu scheu, um zu kämpfen – sie verlassen sich darauf, daß Männer da sind, die sie verteidigen. Auf diese Haltung habe ich mich eingestimmt, und das hat meine Ausbildung als terranische Agentin zunichte gemacht… Es war ihr kaum bewußt, daß sie zu schreien begann…
9
Plötzlich stach Magda ein Licht in die Augen. Eine Fakkel senkte sich nieder und blendete den Mann, der sie festhielt. Er fuhr aufbrüllend zurück. Dann richteten sich ein Dutzend Messer, so sah es aus, auf die Räuber.
»Laßt sie los!« befahl eine ruhige Stimme, und Magda erkannte Jaelles Gesicht über der Fackel. Der Mann, der sie festhielt, wich zurück. Magda stieß den anderen beiseite, riß sich los, raffte ihr zerrissenes Hemd zusammen und mühte sich auf die Füße. Der Schnauzbart brüllte eine Obszönität, stürzte vor und griff nach seinem Schwert. Klingen blitzen und klirrten, ein Aufheulen, und der Mann fiel. Er umklammerte eine Wunde, die quer über seine Oberschenkel lief. Magda sah Blut an Jaelles Messer. Eine der Frauen half Magda, ihre zerrissene Kleidung halbwegs in Ordnung zu bringen. Die Männer scharten sich murmelnd zusammen.
»Paßt auf!« rief Gwennis scharf. Die Frauen zogen sich zurück. Sie hielten die Messer wie eine Mauer vor sich. Magda, die unbeachtet in die Ecke gedrängt worden war, beobachtete das langsame, entschlossene Vorrücken der Räuber gegen die nicht weichende Barrikade, die die Frauen mit ihren Messern bildeten. Sie wartete auf den Zusammenprall, und das Bild prägte sich ihr für immer ein: die rauhen, drohenden Gesichter der Männer, die ebenso grimmigen Gesichter der Frauen, das Fackellicht, die in dunklen Schatten liegenden Balken, sogar das Muster des Steinfußbodens. Sie konnte später nicht sagen, wie lange dies Warten dauerte – es schienen Stunden, Tage zu sein. Die Spannung wuchs. Am liebsten hätte Magda losgekreischt: Nein,
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