Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
sich neben mich zwischen die bestickten Kissen.
Domek hatte sich nicht verändert. Aber es war auch nur wenige Monate her, dass ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte – ihm, dem fünften Sohn des Herzogs von Pommern, sah man seinen Lebenswandel nicht an. Es war Æmelie und mir bekannt gewesen, dass er ein Mann mit gewissen Lastern war – doch neben diesen Absonderlichkeiten war er jemand, der die Wissenschaft hoch achtete und seinem Vater unschätzbare Dienste erwies, indem er in neue Erfindungen und Patente investierte und junge Wissenschaftler unter seine Fittiche nahm. Er hatte Æmelie protegiert – und zu großen Teilen auch finanziert, wie ich zugeben muss. Er hatte Æmelie bewundert, er hatte sie … ja, er hatte sie auch stets begehrlich angesehen, meine wunderschöne kluge Frau, und ich hatte ihn dafür gehasst. Aber nun war er ehrlich entsetzt, ehrlich gerührt und traurig, und wir verbrüderten uns für den Moment im Salon von Madame.
„Dass Sie hier auf Æsta sind, Naðan … Heißt das am Ende, dass Sie Hoffnung haben, dass sie noch lebt?“, fragte er mit leiser Stimme. „Ich habe gehört, es sei ungewiss, dass sie tatsächlich tot ist?“
Ich zuckte mit den Schultern und schluckte. Domek war wie ein altes Leben, das ich abzustreifen gezwungen war wie eine Schlange ihre alte Haut. Darunter war ich roh und blutig.
„Ich wünschte …“, begann ich und sprach nicht weiter. Domek presste bedauernd die Lippen zusammen und strich sein blondes Haar zurück. Er war alles, was eine Frau sich wünschen konnte – reich, gutaussehend, mit scharfem Verstand – seine verfallenden Sitten einmal ausgenommen.
„Sind Sie denn ganz allein hier, mein Guter? Einfach … einfach so?“ Er betrachtete mich prüfend, und ich gab mir Mühe wie jemand zu wirken, der nicht den Verstand verloren hatte. Meinen Verdacht jedoch, auf Æsta ihren Körper und ihren Mörder zu finden, sprach ich nicht laut aus.
„Sie tragen den Ehering. Ich kann mich noch an die Verwirrung auf der Hochzeit erinnern.“ Er lachte, und einer der eintreffenden Gäste gesellte sich neugierig zu uns.
„Naðan hat all sein Geld für ihren Ring ausgegeben, den seiner Frau. Hat gar nicht dran gedacht, dass er auch einen braucht“, begann Domek. „Aber seine Frau war eine von der praktischen Sorte, hat gesagt, dass sie es ohnehin schön fände, wenn er den Ring von ihrem Großvater trüge. Der alte Herr war der Einzige, der dem armen Ding jemals wohlgesonnen war. Aus der Familie, meine ich.“
„Domek, ich finde …“, versuchte ich zu verhindern, dass unser Freund und Gönner mit Geschichten über meine Æmelie die ankommenden Herren erheiterte – doch vergeblich, er war bereits in Fahrt.
„Und über Nacht – die Nacht vor der Hochzeit, wohlgemerkt! – entschließt sich ihr Bruder, den Ring einfach zu Geld zu machen. Da stehen sie also mit nur einem Ring, und ich dachte, Domek, so traurig darf eine Ehe nicht beginnen! Bin mit der Kutsche im Eiltempo zu einem Juwelier in Aquis gerauscht und habe diesen Ring gekauft. Ein Glück, dass er passt, aber Naðan und ich, wir haben beide ähnlich akademische Hände, möchte ich mal sagen.“
Zwei Herren lachten amüsiert, der andere fragte: „Haben Sie Domek die Aussteuer dafür überlassen?“
Unangenehm drehte ich den schmucklosen, schmalen Goldring an meinem Finger. Domek hatte darauf bestanden, dass wir den Ring als Hochzeitsgeschenk betrachteten, ungeachtet der Tatsache, dass er uns zudem einige seltene wissenschaftliche Buchausgaben überreichte.
Endlich traf nun auch Piotr ein, und die Chinesinnen zündeten in der eintretenden Ruhe die Lampen an, an denen das Chandu erhitzt wurde. Sie halfen mir mit den Nadeln und der Pfeife, und nachdem Piotr ein paar Sätze zur Begrüßung verloren hatte, wurden die Pfeifen angezündet. Die geduldige kleine Chinesin hielt mir die Pfeife hin, gegen deren Öffnung sie das Chandu drückte.
Während die Herren es sich auf der Seite liegend an den Lämpchen bequem machten, und ich mich darauf gefasst machte, den ersten Zug an der Pfeife wieder auszuhusten, begannen die Damen zu tanzen. Domek grinste bereits voller Vorfreude.
„Mach dich auf ein paar schöne Träume gefasst“, sagte er zu mir, und ich fand, es klang wie eine Drohung.
Ich musste nicht husten. Der Geschmack war beinahe angenehm, vielleicht sogar etwas karamellig, wie ein zähes Toffeebonbon.
Ich hatte nie darüber nachgedacht, den Ring zu verpfänden. Ich glaube, ich wäre auf Æsta
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