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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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eher erfroren.
    „So – einfach darüber halten. Rauch möglichst lange im Körper behalten“, riet mir die kleine Chinesin. Sie war wirklich sehr hübsch, zumindest hier im Halblicht. Ihre Formen waren beinahe knabenhaft, doch ihre hohen Wangenknochen und die schrägen Augen machten sie zu einer wahren exotischen Schönheit. Rasch stieß ich den Rauch wieder aus – ich wollte schließlich nicht unter der Wirkung des Opiums leiden.
    Ich drehte den Ring hin und her.
    Madame ließ ein Grammophon fremdartige Musik spielen – es klang nach fernen Gestaden, nach Sonne und üppigen Blüten. Die Mädchen begannen, sich auszuziehen, und ich ließ meinen Blick durch die zarten Rauchschleier an die Decke gleiten, wo ich den Ranken folgte.
    „Auf das ferne China!“, sprach Piotr und reichte einen Cognac herum. „Auf die Freuden aus den Ländern, in denen noch die Sonne scheint, meine Freunde!“ Die Flasche kam bei mir an, und ich nahm einen zaghaften Schluck.
    „Auf Männer und ihre Abgründe, Herr … Wen habe ich da eigentlich eingeladen?“ Er lachte, und die anderen Herren lachten auch.
    „Naðan von Erlenhofen“, sagte ich mit Würde und hustete nun doch ein wenig.
    „Herr von Erlenhofen. Haben Sie Ihre Puppe dabei?“
    „Aber sicherlich. Sie ist mein Abgrund und war demzufolge mit eingeladen, nicht wahr?“
    „Scharf kombiniert!“ Er prostete mir zu. „Ich mag den Kerl. Domek, du kennst ihn, wie ich höre?“
    Domek sah träumerisch zu den Frauen herüber. „Aber ja. Ein wahrer Freund. Naðan ist ein wahrer Freund.“
    „Reichen Sie mir heute Ihr Püppchen einmal hinüber? Ich bin zu neugierig, was sie an dem Geschöpf finden.“
    „Es ist sicher eng“, sagte einer von Piotrs Freunden. „Enger noch als eine Zwölfjährige.“
    Ich brauchte ein paar Augenblicke, um durch den Toffeebonbongeschmack und den Rauch hindurch die Unterstellung zu verstehen.
    „Was maßen Sie sich an!“, begehrte ich auf, und fuhr hoch. Die Chinesin eilte herbei, um das Lämpchen aufzufangen, das ich beinahe hinabgeworfen hätte. „Leise sein!“, mahnte sie mich.
    „Herr von Erlenhofen muss einen schweren Verlust verkraften“, sagte Domek, obgleich ich ihn nicht darum gebeten hatte. „Er hat seine Frau verloren.“
    „An dich?“, grinste der feiste blonde Mann, der auch so ungebührlich von meiner Ynge gesprochen hatte.
    „Ich bitte dich, Karsten! Der Mann ist in Trauer, außerdem wollen wir doch den Sinnesfreuden hier zusprechen und nicht deinem dummen Geschwätz“, wies Domek ihn erneut zurecht.
    Danach schwiegen alle, und ich muss zugeben, dass ich mich den Sinnesfreuden der Pfeife hingab. Je mehr ich das jedoch tat, umso weniger bemerkte ich, dass meine Gedanken mir mit jedem Atemzug weiter entglitten. Dass meine Blicke meinen Gedanken nicht mehr gehorchten, und über Lottes weibliche Formen glitten. Sie trug nun nur noch eine Korsage und eine sehr unschickliche Form der Strümpfe und küsste ein anderes Mädchen auf den Mund. Neben mir seufzte Domek wohlig und begann, seine Hose zu öffnen.
    „Oh nein!“, wollte ich sagen und die Feier verlassen, doch ich tat es nicht. Begierden gehorchten nicht den Gedanken, Sehnsüchte waren nicht länger der Vernunft untertan.
    Als die Wirkung des Opiums weiter fortschritt, träumte ich, den Körper der kleinen Chinesin zu berühren. Dabei glänzte der Ring im Licht der Lämpchen. Ich war dabei sehr entspannt und frei von allen quälenden Begierden. Lust erfüllte mich, jedoch ließ sie mich selig treiben, statt mich vor sich her zu peitschen. Ich träumte davon, die Chinesin zu besitzen, hörte ihre spitzen Laute und sah zu, wie Lotte ihren roten Mund um Domeks Männlichkeit schloss. Es war alles sehr schön, aber ich glaube nicht, dass irgendetwas davon wirklich geschah. Wir lagen da und rauchten und taten all diese Dinge in unseren Gedanken – als wir von der Feier und dem anschließenden Schlummer erwachten, gab es keine Sünde, die unsere Seelen befleckte.

    „O gütiger Gott!“, klagte Domek und rieb sich die Schläfen. „Wie entsetzlich ist das morgendliche Aufwachen! Warum nur hat Gott gesagt, es solle Licht werden?“
    Ich versuchte zu sprechen, doch mein Mund war pelzig, und die Ahnung von Toffeebonbons hatte sich in einen widerwärtigen Geschmack verwandelt.
    „Warum tut man das mehrmals in seinem Leben?“, brachte ich schließlich hervor.
    Wir waren in Madames Höhle erwacht, Ynge hatte ich fest im Arm gehalten, und die Chinesinnen waren bereits dabei,

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