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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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die Spuren der nächtlichen Feier wegzuräumen. Eine davon bedachte ich mit einem reumütigen Blick, doch da sie mich nicht einmal ansah, hoffte ich, die Erinnerungen an ihren nackten Körper ins Reich der Phantasie und der Träume verbannen zu können.
    „Warte nur, Naðan. Es wird nicht lange dauern, dann wirst du dich an die Freuden eindrucksvoller erinnern als an den Schmerz. Und dann wirst du es wieder wollen, wirst den kommenden Tag der Nacht zum Opfer bringen wollen.“
    „Schön gesagt.“
    „Je häufiger man es tut, desto größer wird der Drang, einen Tag nach dem anderen auf dem Altar der Nacht ausbluten zu lassen.“
    „Und ich vermute, du warst nicht zum ersten Mal hier.“
    „Weder hier noch woanders war ich zum ersten Mal. Hamburg hat eine erkleckliche Landschaft vorbildlicher Opiumhöhlen. Nur in Pommern, mein Freund, da gibt es keine einzige.“
    „Es gibt ja auch keinen einzigen Chinesen in Pommern, oder?“
    Madame ließ uns ein entsetzliches Gebräu bringen, das den Kopf klärte. Appetit hatte ich keinen, und die Müdigkeit, die als Rest der Nacht übriggeblieben war, war lähmend.
    „Scharfsinnig beobachtet! Ich sollte mir einfach einen chinesischen Diener anwerben, dann kann er mir meine private Opiumhöhle in Vaters Schloss gestalten.“
    „Der Herzog würde das sicherlich nicht gerne sehen.“
    Domek lachte, nipte an dem Gebräu, lachte erneut und sah mich dann nüchtern an, als ich keine Miene verzog.
    „Ich vermute, du rauchst normalerweise nur mit Leuten, die dich nicht erpressen können, weil sie ihrerseits keinen formidablen Lebenswandel haben“, sagte ich und hielt den Atem an. „Ich hingegen bin ein zerstörter Mann.“
    „Du würdest nicht … du würdest mich nicht auch zerstören wollen? Denk an den Ring – wir sind Freunde, Naðan!“
    Ich strich Ynge durchs Haar.
    „Sicherlich sind wir das. Zusammengeschweißt von einem Ring und ein paar Opiumpfeifen.“
    Er erstarrte. „Naðan, was redest du da? Du weißt, dass ich deiner Frau einige unschätzbare Dienste erwiesen habe, davon war der Ring der kleinste! Der Doktortitel wäre ihr ohne mich niemals verliehen worden! Ich habe an sie geglaubt, obwohl sie eine Frau war!“
    Eigentlich hatte er an sie geglaubt, weil sie eine Frau war. Doch diesmal war ich vorsichtiger. Mein Herz klopfte langsam und unangenehm, versuchte, meine plötzlichen Gedanken und das Gift der vergangenen Nacht aus meinem Körper zu pumpen.
    „Ich weiß, Domek, und ich bin dir bis ans Ende der Zeiten dankbar.“
    „Das hörte sich nicht so an!“
    „Verzeih meine unbedachten Worte. Ich stecke in echten Schwierigkeiten – sieh mich an, ich bin in der Gosse gelandet!“
    „Warum gehst du nicht nach Aquis zurück? Zu deinen Eltern?“
    „Weil ich …“ Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. „Ich muss herausfinden, wer Æmelie ermordet hat. Er ist hier – aber nicht in der Gosse. Er gehört den höheren Kreisen Æstas an. Domek, du musst … du musst mir aufhelfen!“
    „Unserer Freundschaft willen oder weil du mich erpresst?“
    Ich lächelte so freundlich ich konnte. „Das kannst du dir aussuchen.“
    Er boxte mich in die Rippen, gerade so fest, dass es mehr als eine freundschaftliche Geste war. „Das Rumgehure musste ja irgendwann Folgen haben“, seufzte er. „Ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Malst du immer noch diese Bilder?“
    „Diese Bilder?“, erwiderte ich und entrollte das Friedhofsbild. Das Papier hatte auf der Rückseite durch die Geschehnisse der Nacht ein wenig Schaden genommen, doch das Bild selbst war nach wie vor makellos.
    Wobei – im Licht eines neuen Morgens erschien es mir beinahe ein wenig plump. Die Symbolik war tatsächlich etwas hölzern.
    Domek schien das nicht zu bemerken, er nickte anerkennend.
    „Das ist sehr gut. Künstler sind immer wieder gerne gesehen.“
    Ich gab Ynge einen Kuss auf den Scheitel und flüsterte ihr einige Worte des Triumphs ins Ohr, woraufhin Domeks Blick ein wenig konsterniert wirkte.
    Ob durch Erpressung oder Freundschaft, der jüngste Sohn des Herzogs von Pommern war nun auf unserer Seite.

Eine illustre Gesellschaft

    Gouache auf Karton
    M it schrillem Pfeifen zogen die Gewerkschaften den Eisberg hinauf. Es war kein Streik, denn es war Sonntag, aber ich wurde dadurch aus meinem schläfrigen Nachopiumsstadium gerissen. Sonntags ruhte die Arbeit, so wie der Herrgott es hatte anweisen lassen, doch auf Æsta mussten manche Werke auch dann weiterlaufen, es waren jedoch

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