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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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wenig später drang auch schon das stete Brummen der Propeller an mein Ohr. Die Gashülle war pechschwarz, als wären mir die Dämonen Æstas gefolgt.
    „Es sind Leute des Herzogs, mein Junge. Wenn die Gräfin dich in diesen Schlamassel gebracht hat, dann muss ich nicht viel nachdenken, um zu verstehen, dass der Herzog dich mit Freuden wieder herausholen wird. Wenn du verstehst, was ich meine.“ Erneut streckte er die Hand aus. „Ich helfe dir.“
    Ich sah hinüber zum Ankermast. Majestätisch wie ein Wal durchschwamm das Luftschiff die Nebelbänke. Ich wusste, dass mir wenig Zeit blieb. Auf dem wankenden Untergrund nahm ich die Beine in die Hand und hatte bereits einige Meter zwischen mich und den aufdringlichen Maschinisten gebracht, bevor dieser reagierte. Als er es jedoch tat, alarmierte er dabei laut die Arbeiter am Hafen, die sich sofort nach mir umwandten. Dennoch hatte ich die Überraschung auf meiner Seite – wenn mir auch die Nähe des gurgelnden, von Eisschollen durchsetzten Meeres Übelkeit verursachte. Sollte ich hineinstürzen, würde mich allenfalls der Herzog herausziehen – und ob ich da nicht einen kalten Tod in den Fluten vorziehen würde, ließ ich dahingestellt.
    „Haltet ihn! Er ist ein Mörder!“, rief der vermeintlich hilfsbereite Maschinist. Ein Arbeiter ließ seine Last fallen – einen ganzen Arm voller kostbarer Holzlatten hatte er von Bord eines Schiffes transportiert und sprang mir nun in den Weg. Ich taumelte eher unkontrolliert als bewusst zur Seite und griff mir eine kurze, unbearbeitete Latte. „Hätte ich doch noch Elsbeðs Spazierstock!“, dachte ich verzweifelt. Als er seine speckigen Handschuhe gerade nach mir ausstrecken wollte, rammte ich ihm die Spitze der Latte gegen den Brustkorb. Dabei verwandte ich alle Geistesgegenwart, die mich die elterliche Verdammung zum edlen Stockfechten gelehrt hatte. Der Stoß besaß genug Wucht, um den anstürmenden Mann von den Beinen zu heben. Er krachte auf seine fallengelassene Ladung, schlitterte ein Stück inmitten polternder Holzstücke über den Kai und sackte dann mit einem Kreischen in die Tiefe. Eine Sekunde lang war alles still – selbst der Lastenaufzug und das nahende Luftschiff schienen in ihren Bewegungen und Lauten innezuhalten, um den Arbeitern diesen einen Moment zu gewähren, in dem sie verstanden, dass ich ihr Feind war.
    Eine Art kollektiver Aufschrei folgte, und von allen Seiten des sich verästelnden Kais stürmten sie zu mir herüber.
    Der Herzog hatte seine Männer umsonst ausgeschickt, diese Kreaturen würden mich in der Luft zerreißen. Mit stockendem Atem schlingerte ich über die glitschigen Holzbohlen, entging einer ausgestreckten Faust, riss mich aus dem zupackenden Griff einer Arbeiterhand los.
    „Halt! Halt!“, hörte ich den Maschinisten mir zu zweifelhafter Hilfe eilen. „Er ist der Mörder von Æstas End! Sie wollen ihn lebend!“
    „Der Mörder!“, hatten seine Kameraden lediglich verstanden. „Der Mörder von Æstas End! Wir ertränken den Hurensohn!“
    Von überall her erschollen Rufe, Kapitäne und Offiziere brüllten Befehle, ein Hafenschutzmann eilte mit gezogenem Prügel und schrillender Pfeife auf die gefährlich schwankenden Arbeiter zu. Ich versetzte einem Mann einen Hieb gegen den Hals, der mir für den Augenblick etwas Luft verschaffte, setzte nach vorne, glitt aus – und fiel vom Kai herab.
    Die Luft anhaltend prallte ich auf. Ich erwartete, die trügerisch dünne Oberfläche von Eis oder Wasser zu durchdringen und hinab in mein Grab zu fahren, doch stattdessen fingen Felsen mein Gewicht auf. Schleimige Algen hatten sich in dieser lebensfeindlichen Umgebung festgesetzt, und ich drohte, abzurutschen, und nun tatsächlich im verdächtig nahe heran schwappenden Wasser zu landen. Jedoch hatte ich das Ende des Stegs erreicht, über mir erstreckte sich die Steilküste. In eben jenen Felsen, auf denen ich mich gerade gefangen hatte, war der provisorische Hafen befestigt. Eine Welle krachte heran, traf mich mit voller Wucht und warf mich gegen die eisverschorfte Steigung. Ich schnappte nach Luft, als Kälte und Nässe nun doch unerbittlich auf mich eindrangen. Ein Arbeiter wagte den Sprung von der sicheren Plattform herunter auf das tückische Gestein – ich klaubte die Holzlatte wieder auf, bevor sie ins Wasser hinab rutschen konnte, und schlug ihm noch im Sprung kräftig gegen seine Schläfe.
    Stolpernd, von der Wucht der nächsten Welle gegen die Felswand geworfen, arbeitete ich mich

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