Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
aber in Küstennähe … Da könnten wir sogar schwimmen, wenn wir kentern.“
Ich lachte ungläubig. „Ich könnte sicherlich nicht schwimmen – im eiskalten Meer! Mit euren fischschwänzigen Göttern, die mich herunterziehen wollen!“
„Ekkenekkepen werden wir vorher ein Opfer bringen“, wiegelte Tomke meinen Einwand ab, und Ynge stöhnte: „Heidnische Sitten.“
„ Ekkenekkepen “, murmelte ich und schüttelte langsam den Kopf. „Bist du denn nicht getauft?“
„Doch. Die Gräfin hat mich taufen lassen, und in einer Kirche bete ich das Paternoster auf Latein und auch das Ave Maria. Aber was glaubst du, was der heilige dreifaltige Gott und seine jungfräuliche Mutter gegen meine fischschwänzigen Götter ausrichten können?“
„Sie …“ Ich verstummte. Ich hatte sagen wollen, dass sie allmächtig waren, und deshalb auch im Meer gegen heidnisches Götterpack bestehen würden. Aber dann stellte ich fest, dass ich es selbst nicht glaubte. Wenn sie allmächtig waren, dann verschwendeten sie ihre Allmacht ohnehin nicht auf Menschen, und dann war es ihnen auch gleichgültig, ob ich von einem fischschwänzigen Gott mit unaussprechlichem Namen verschlungen wurde.
„Nun gut“, seufzte ich, getrieben von der Neugierde auf einen Ausflug zur See und meiner Idee, Naðurn Stak, der sich beinahe wie ein Namensvetter anfühlte, zu zeichnen.
„Ruhige See nennst du das?“, keuchte ich, bevor sich eine neuerliche Ladung Haferschleim über die Reling ins Meer ergoss und sich mein Magen mit einem schmerzhaften Geräusch zusammenzog, das ich trotz des Wellenrauschens vernahm.
Tomke lachte laut und stemmte sich in die Taue ihres Segels. Die Jolle schwankte auf den grünlichen Wellen, der Himmel war niedrig und grau und die Sonne nur ein blasser Fleck wie ein runder voller Mond. „Aber ja. Ganz ruhig.“
„Da ist Eis!“, schrie ich und zeigte auf einen der bedrohlich auf den Wellen schaukelnden Splitter, die im wärmer werdenden Wetter von den größeren Schollen abbrachen.
„Das macht nichts. Es zerbricht, guck!“ Der Kiel krachte gegen das Eis, es knirschte, ich krallte mich mit blaugefrorenen Fingern an der Reling fest und biss die Zähne zusammen – doch sie behielt recht, mit einem widerstrebenden Geräusch riss das Eis, barst auseinander und trieb rechts und links von unserem Boot an uns vorbei.
„Das ist entsetzlich!“
„Wir nennen all das hier den blanken Hans !“ Begeistert wies sie in die sprühende Gischt. „Er macht uns Angst, aber manchmal macht er auch einfach Spaß!“
„Ich dachte, Luftschiffe wären grässlich!“
Sie lachte nur, und ihre Augen blitzten. Über die Schulter zurückblickend wurde mir klar, dass wir uns vom ins Meer auslaufenden, sandigen Flachland nur wenig entfernt hatten, wir hatten uns in nordwestlicher Richtung parallel zur Steilküste gehalten und waren nun bereits auf Höhe des rotsteinernen Rosses angekommen, das Helgoland durchs Wasser zog.
„Näher dran? Weiter weg?“
„So ist vollkommen … perfekt“, beeilte ich mich zu sagen, und freute mich, als sie das kleine, dreieckige Leinensegel einholte. Mit der Hilfe der Steuerpinne und eines Paddels hielt sie das Schiff in etwa auf der Stelle – ich befürchtete jedoch, dass die wilden, von Westen heranrollenden Wellen des blanken Hans ’ uns bald gegen die Steilküste schleudern und dort zerschmettern würden.
Zitternd ließ ich mich am tiefsten Punkt des Bootes, direkt neben dem Mast, nieder. Ich räusperte mich und versuchte nach Kräften, ein Mann zu sein. Tomke beobachtete mich dabei und grinste.
„Ich mag dich wirklich gern. Und ich glaube nicht, dass du ein Mörder bist.“
„Sie mögen vermutlich alle die Aura, die dich als trauernden Witwer umgibt. Wie pietätlos“, kommentierte Ynge. Ich nahm sie heraus und zeigte ihr die eindrucksvolle wilde Steilküste mit den aufsteigenden schwarzgeflügelten Lummen, die sich langsam durch die Übelkeit und die Angst in mein Bewusstsein schoben und ein geradezu beeindruckendes Bild abgeben wollten.
„Das Papier wird nass werden.“
Tomke setzte sich neben mich und zog die Beine an. Sie strich Ynge über das Haar. „Ist die Seele deiner Frau da drin?“, fragte sie dann und sah mich an. „Lässt sie dich nicht los?“
„Sie soll mich auch nicht loslassen. Ich liebe sie.“
Tomke nickte ernsthaft. „Das tut sicher sehr weh.“
„Das ist richtig. Aber es wäre auch falsch, wenn es nicht weh täte.“ Ich weiß nicht, was dann passierte. Die
Weitere Kostenlose Bücher