Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
das für ein seltsamer Name und wo und wer die Familie des Jungen sei, hob Wagner mehr bittend als fordernd die Hand.
    »Wenn es erlaubt ist.« Er räusperte sich und legte die Hand wieder auf den Tisch. »Wenn es erlaubt ist«, wiederholte er, »nach den Jungen wird gesucht, vielleicht sind sie auch im Gestüt geblieben und übernachten dort. Monsieur Herrmanns’ älterer Sohn reitet schon nach Wandsbek, das zu prüfen. Ja. Er wird bald zurücksein, dann werden wir es wissen. Es wäre da eine andere Frage, deren Beantwortung uns sehr dringlich erscheint. Erforderlich, sozusagen. Es gibt da ein Faktum, nun ja …«
    Bevor Wagner weiterdrechseln konnte, ergriff Claes wieder das Wort. »Weddemeister Wagner hat recht. Wir müssen nur warten, bis Simon zurück ist, es kann nicht mehr lange dauern. Bis dahin können wir eine andere Frage klären. Ich bedaure, daß ich Euch so kurz nach dem betrüblichen Tod Eures Bruders, Madame Horstedt, mit diesen Dingen belästigen muß, aber …« – Claes hatte absolut keine Idee, wie er seine Frage am unverfänglichsten stellen sollte – »… aber es scheint mir wichtig, gerade jetzt, wo … Nun ja, gerade jetzt eben. Ihr habt Eurem Bruder vor einigen Wochen einen Brief geschrieben, in dem Ihr ihm mitteiltet, daß Simon einen Cousin in England hat, der nun ein großes Erbe antreten wird.«
    »Warum ist das wichtig, Monsieur? Gerade jetzt?« Der Apotheker schenkte sich Wein nach, aber er trank nicht. »Ich finde diese Angelegenheit nebensächlich. Gerade jetzt. Meine Frau hat ihre beiden Brüder verloren, der erste ist ertrunken, der zweite hier in dieser Stadt, in dem renommiertesten Institut, von fremder Hand getötet worden. Nun kommen wir, um den lieben Adam zu betrauern und seine sterblichen Überreste heimzuholen, und müssen hören, daß unser Sohn verschwunden ist. Wir sind erschöpft von der langen Fahrt in der Kutsche. Und da wollt Ihr Auskunft über eine Erbschaft? Über den Besitz fremder Leute irgendwo in England?«
    »Leider muß ich danach fragen, Monsieur. Zudem sind diese Fremden Verwandte von Simon, sehr nahe Verwandte sogar, auch wenn sie ihm und Euch fremd sind.«
    Claes schob nun alle Rücksichten beiseite – die schafften nur noch mehr Verwirrung – und erzählte knapp, daß man den Brief von Madame Horstedt gefunden und angesichts des tragischen Todes des Adressaten auf Diskretion verzichtet und ihn gelesen habe (wobei er allerdings behauptete, der Weddemeister habe ihn auf Adam Donners Kommode gefunden). Es stelle sich nun zunächst die Frage, ob auch Simon von diesem Erbe wisse.
    Dessen war Madame Horstedt ganz sicher, sie habe ihrem Bruder schließlich aufgetragen, seinem Neffen davon zu berichten. Was zwar von schwesterlich liebendem Vertrauen sprach, aber nicht das Mindeste bewies.
    Und ob Madame und Monsieur Horstedt sicher seien, daß tatsächlich der Cousin und nicht doch Simon der Erbe sei?
    »Monsieur«, fuhr da Madame Horstedt auf, »Ihr habt uns gesagt, diese Fragen seien von Wichtigkeit. Was daran ist in dieser sorgenvollen Stunde wichtig?«
    »Nun, meine Liebe, das werden wir gewiß gleich erfahren«, kam unerwartete Schützenhilfe von Monsieur Horstedt, der die Wichtigkeit dieser Fragen zu ahnen und zu fürchten begann. »Wenn du erlaubst, werde ich die Dinge darlegen. Ob dieser Junge, Simons Cousin, sich so guter Gesundheit erfreut, wie der Advokat uns schrieb, wissen wir natürlich nicht«, fuhr er an Claes gewandt fort. »Aber daß er etwa zur gleichen Zeit, nämlich einige Tage vor Simon geboren wurde, ist ohne Zweifel richtig. Mein Schwager kehrte mit Simon nach dem Tod seiner Frau aus England zurück nach Husum. Der Junge war damals noch ein Milchkind, ein Wunder, daß er die lange Reise ohne Mutter überstanden hat. Gott muß ihm eine ganze Schwadron von Schutzengeln mit auf den Weg gegeben haben.«
    »Aber da war diese Dame auf dem Schiff, Asmund. Die hatte auch ein so kleines Kind und genug Milch für zwei. Peter war damals so verstört, du kannst ihm nicht verübeln, daß er nicht besser vorgesorgt hatte. Er hat eben auf Gott vertraut, und alles fügte sich.«
    »Natürlich«, Monsieur Horstedt griff begütigend nach der Hand seiner Frau und hielt sie fest, »ich verstehe es ja. Und diese Frau – ich glaube übrigens nicht, meine Liebe, daß sie eine Dame war, eine Dame wäre kaum ohne Begleitung und ohne eine Amme für ihr Kind gereist – diese Frau war seine, genauer gesagt Simons Rettung. Nun gut. Das alles ist sehr lange

Weitere Kostenlose Bücher