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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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deutlich aussprechen? Nein, ich bin mir nicht sicher. Aber ich bin mir sicher, daß es zumindest im Keller keine Verbindungstüren mehr gibt. Auf dem Dachboden ja, und natürlich im ersten Geschoß. Unsere Wohnungen nehmen das ganze erste Geschoß ein, auch über den Schulräumen. Aber von dort gibt es keine offene Treppe nach unten zur Schule. Nur zum Erdgeschoß in unseren Teil des Klosters.«
    »Aber es hat doch gewiß früher solche Türen gegeben, als das ganze Anwesen noch den Dominikanern gehörte?«
    Mette van Dorting nickte. »Bestimmt hat es die gegeben. Die Bereiche wurden erst getrennt, als Luthers Mitstreiter Bugenhagen auf die dumme Idee kam, hier eine Schule einzurichten. Das ist nun schon mehr als zweihundert Jahre her. Ich bin sicher, daß wir das bald genau erfahren werden. Soviel ich gehört habe, weiß man nicht, wie der Mörder« – das unziemliche Wort ging ihr ohne Zögern über die Lippen – »in die Schule gelangt ist. Das vordere Portal soll abgeschlossen gewesen sein. In unserem Keller gibt es eine Verbindungstür, aber die ist auch verschlossen. Nun, ich denke, dieser kleine dicke Mann von der Wedde wird bald in alle Winkel kriechen und es herausbekommen. Vielleicht findet Mademoiselle Meyerink dann auch ihre Ruhe wieder.«
    Mette van Dorting war bemerkenswert gut informiert.
     

5. KAPITEL
    SONNABEND, DEN 6. AUGUSTUS,
    MORGENS
    Das alte Johanniskloster bestand aus drei aneinandergebauten Gebäudekomplexen, die jeweils einen Innenhof umschlossen. Der größte, einst der Kreuzgang mit den anschließenden Zellen der Mönche, beherbergte die Klassenräume der Gelehrtenschule Johanneum. Der Schulhof in ihrer Mitte mit dem kleinen Haus für die Zeichenklasse war einst der Klosterfriedhof gewesen. Nach Norden, zur Kleinen Alster hin, folgte das Jungfrauenstift St. Johannis. Dessen Wirtschaftshof mit der von einem Torbogen geschützten Einfahrt zur Straße Hinter dem Breitengiebel schloß sich nach Osten an und war von der Remise, den Ställen, der Klosterschreiberei und einigen Witwenwohnungen umgeben. In dem vor etwa zwei Jahrzehnten neu erbauten Akademischen Gymnasium an der Westfront des Damenstifts fanden auch die große Bibliothek und im Erd- und Zwischengeschoß die Wohnung des Rectors Johannei Raum. Nach Süden wurde die ganze ehemalige Klosteranlage von der Johanniskirche begrenzt.
    Die Zeiten, als die Flügel des weitläufigen Anwesens vielfältig miteinander verbunden gewesen waren, lagen lange zurück. Jungfrauenstift und Schule waren seit mehr als zweihundert Jahren streng getrennt. Zwar gehörte auch das erste Geschoß über den Schulklassen zum Stift, aber diese Räume standen überwiegend leer, denn von den neunzehn Stiftswohnungen waren nur elf belegt.
    Auch die alte Johanniskirche, einst Teil des Klosters, war nicht mehr mit den anderen Gebäuden verbunden. Die Stiftsdamen gehörten der St.-Petri-Gemeinde an und hatten in der noch um vieles älteren Hauptkirche auch ihre Grabstätte. Der Durchgang, der früher den Zellentrakt der Mönche mit der Kirche St. Johannis verbunden hatte, war schon zu Zeiten der Reformation zugemauert worden.
    Wer auf dem Plan oder der kurz Breitengiebel genannten Straße das ehemalige Kloster passierte, konnte seine Ausmaße kaum erkennen. Claes Herrmanns war viele Jahre lang Johanneumschüler gewesen. Sein Vater hatte zwar nicht erlaubt, daß er die Schule bis zur Prima besuchte (was ganz in seinem Sinne gewesen war), doch die Jahre bis zum Abschluß der Quarta erschienen ihm selbst heute noch als seine gesamte Kindheit und Jugend. Dennoch hatte er damals nie das benachbarte Damenstift betreten. So hatte er sich heute bei dem Weg über den Hof und durch das Portal in die Diele für einen Moment wieder wie ein Schüler auf verbotenem Terrain gefühlt.
    »Von dort oben gibt es keine Treppen zu den Schulräumen hinunter?« Er stand mit Weddemeister Wagner und dem Klosterschreiber Malchow in der weiten Diele unter dem uralten Kreuzgewölbe, den Türknauf zum Aufgang ins Obergeschoß in der Hand, und sah die hölzerne Treppe hinauf.
    »Keine, Monsieur Herrmanns, absolut keine.« Der Klosterschreiber machte ein Gesicht, als habe er das nahe bevorstehende Ende der Welt verkündet. »Die Jungfern legen von jeher großen Wert auf diese Trennung. Von jeher. Man weiß ja, wie Jungen sind, stöbern in allen Ecken herum, stecken ihre Nasen in alles, was sie nichts angeht, machen Lärm und Schmutz.« Er wußte, wovon er redete. Er war stets bemüht, seine sechs

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