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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hielt, aber sonst hatte sie nichts auszusetzen. Sie ließ Rosina, für die nächsten Tage Rosa, das Teegeschirr in ihrem Salon auf ein Tablett und wieder zurück auf den Tisch räumen, hieß sie einmal im Zimmer auf und ab gehen, auch einige Male knicksen, und erklärte knapp, sie dulde weder Tölpelhaftigkeit noch Schlendrian. Absolute Reinlichkeit müsse sie gewiß nicht extra erwähnen. Dann schickte sie Rosina hinunter in die Küche, die Köchin sei die Seele der Hauswirtschaft, die werde sie in ihre Arbeit einweisen und ihr alles weitere zeigen, was sie hier zu wissen und zu kennen habe. Damit senkte sie ihren Blick wieder auf den Hamburgischen Correspondenten, und das Mädchen Rosa war mit einer huldvollen Handbewegung entlassen.
    Wäre es nicht so absurd gewesen, hätte Rosina geschworen, daß die Domina sich dabei auf die Lippen biß, als müsse sie ein Lachen unterdrücken. Oder zumindest ein Lächeln.
    Genau das fiel ihr wieder ein, als sie in eine der schmalen Gassen einbog, um den Weg zur Neustädter Fuhlentwiete abzukürzen, dieses Lächeln. Sie wußte nicht, ob Anne recht hatte, als sie sagte, sie, Rosina, bekomme immer den gefährlichsten Part – ganz gewiß bekam sie immer den lästigsten. Es sah so aus, als wolle Mette van Dorting sich an ihr für irgendwelche Kränkungen, Possen oder wer wußte schon was für alte Zwiste entschädigen, die sie mit Augusta in ihrer Mädchenzeit auszutragen versäumt hatte. Die mußten nahezu ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Sie hoffte, daß sie selbst, falls sie so alt wurde, nicht so nachtragend sein würde. Und sie hoffte noch mehr, daß sie schnell etwas herausfand. Nicht nur wegen ihrer vom vielen unnützen Herumgerenne schmerzenden Füße, ihre Camouflage konnte nicht lange unentdeckt bleiben.
    Auf dem Weg zur Küche unter den Räumen der Domina hatte sie schon auf der Treppe die Stimme der Köchin gehört: Seltsam sei das ja doch. So plötzlich, dazu am heiligen Sonntagvormittag, ein neues Mädchen. Auch habe sie noch nie gehört, daß bei den Herrmanns’ eine Rosa in Diensten sei, sehr, sehr seltsam, wo die Domina doch sonst auf alles achte wie ein alter Fuchs. Morgen früh auf dem Hopfenmarkt wolle sie Elsbeth nach dieser Bedienung fragen, deren Augen für eine Aushilfsmagd gar zu stolz in die Welt blickten, und dann werde man ja sehen.
    Rosina hatte ein bißchen auf der Treppe herumgetrampelt, die Küchentür mit ergeben gebeugten Schultern geöffnet und sofort der Herrin der Klosterherde die allerbesten Grüße von Elsbeth, der Herrmannsschen Köchin, ausgerichtet. Dazu hatte sie gleich erklärt, daß sie ja erst seit wenigen Wochen im Herrmannsschen Haus, und zwar zumeist im Gartenhaus in Harvestehude, diene, und daß der Duft des Mirabellenkompotts dort auf dem Tisch unvergleichlich sei. Gewiß würze sie auch mit Zimtstangen? Sie selbst könne leider nur einfache Grützen zubereiten, aber das Kochen und Wirtschaften sei ja eine höhere Kunst, die nicht zu den Arbeiten eines einfachen Mädchens gehöre.
    Was den Argwohn der Köchin nicht minderte, sie aber beschließen ließ, das neue Mädchen, sowieso nur ausgeliehen, bis eine neue für die Domina gefunden worden war, nicht weiter zu beachten. Das jedenfalls hatte Rosina in ihrem Gesicht zu lesen geglaubt. Trotzdem, obwohl Elsbeth und Blohm, Brooks, der Kutscher, und auch Betty, deren Kleid sie nun trug, eingeweiht waren, war es nur eine Frage der Zeit, bis herauskam, daß tatsächlich keine Rosa in Herrmannsschen Diensten stand.
    Als sie den Bremer Schlüssel in der Fuhlentwiete erreichte, verlor sich die letzte Dämmerung in der Dunkelheit. Die Tür des Gasthauses wurde aufgestoßen, und heraus polterten Servatius, der Knopfmacher aus der Caffamacherreihe, und Vandenfelde, der Knochenhauer vom Schlachthaus bei der Heiliggeistbrücke. Es war nicht eindeutig, wer wen stützte. Sie schwankten gemeinsam zur Seite, und Rosina schlüpfte schnell an ihnen vorbei durch die Tür.
    Der langgestreckte Raum war von einigen Rüböllampen an den Wänden und Unschlittkerzen auf den langen Holztischen in gelbes Dämmerlicht getaucht. Geruch von Bier und säuerlichem Wein, von scharfem Tabak und zu vielen Menschen schlug ihr dumpf entgegen. Darüber jedoch lag der würzige Duft einer kräftigen Fleischsuppe, die Jakobsens Schwester Ruth in der Küche hinter dem Schankraum rührte. Und ein Hauch Lavendel? Rosina mußte nicht lange suchen, Helena hatte sie gleich entdeckt und winkte sie mit beiden Armen heran.

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