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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Knien endete. Taramis konnte sich nicht erinnern, je einen fetteren Jungen gesehen zu haben. Zumindest erklärte sich damit Obans Behauptung, der Halbwüchsige hasse Spaziergänge im Park. Wahrscheinlich konnten Ogs X-Beine ihn gar nicht bis ins Freie tragen. Immerhin schleppten sie den massigen Leib bis zu dem verwaisten Stuhl, in den sich der Thronfolger fallen ließ. Das Sitzmöbel ächzte mitleiderregend.
    »Ein König zeigt niemandem seine Furcht«, ermahnte Lebesi ihn streng.
    »Ich bin nur vorsichtig«, log der Jüngling. Obwohl er längst über den Stimmbruch hinaus sein musste, hörte sich sein Falsett an wie bei einem Kastraten.
    »Der junge Mann an Unserer Seite ist Kronprinz Og«, erklärte Lebesi mit einer eleganten Geste. »Mein Sohn soll lernen, was es bedeutet, die Geschicke des größten Reichs von Berith zu lenken. Also, bitte sprecht, Herr Adámas. Was wisst Ihr über Unseren hochgeschätzten Ratsherrn, den Fürsten Enak?«
    Taramis’ Blick huschte zu Oban. Die Miene des Hauptmannes wirkte wie versteinert. »Er wurde ermordet, Königliche Hoheit.«
    Lebesi fuhr aus dem Thron hoch. »Was?«
    War ihr Entsetzen echt? »Vergebt mir meine Offenheit, Hoheit, doch Eure Überraschung verwirrt mich. Enak ist bereits seit einer Woche tot. Wie kommt es, dass ein so hochgeschätzter Ratgeber noch nicht vermisst wird?«
    »Was wollt Ihr damit andeuten?«
    »Gar nichts, Königliche Hoheit. Ich versuche nur zu verstehen.«
    »Wir sind Euch über Unser Verhältnis zum Fürsten Enak keine Rechenschaft schuldig«, erklärte Lebesi frostig.
    »Selbstverständlich nicht«, antwortete er rasch und verneigte sich ehrerbietig. Ihm schwante, dass er mit seinem Anliegen bei dieser reizbaren Frau einen schweren Stand haben könnte. Als Krieger fehlte ihm die Zungenfertigkeit eines auf höfischem Parkett erfahrenen Gesandten. Vielleicht sollte er sich als Tempelwächter zu erkennen geben und die Fürsprache des komanaischen Oberpriesters erbitten. Doch bisher hatte sich Eglon kaum gerührt, so als wolle er am liebsten unsichtbar bleiben.
    Der Unmut im Gesicht der Regentin wich einem besorgten Ausdruck. Sie winkte Taramis näher zu sich heran und bedeutete zugleich seinen beiden Schatten, zurückzubleiben. Als er nur noch etwa drei Schritte vom Thron entfernt war, streckte sie ihm die flache Hand entgegen. »Das genügt.« Sie senkte die Stimme. »Wie Ihr Euch denken könnt, ist Unser … Bündnis mit Dagonis im Reich nicht auf einhellige Zustimmung gestoßen. Ungeachtet der Gefahr, in die er sich dadurch brachte, hatte sich Fürst Enak offen dagegen ausgesprochen. Dem König von Dagonis war der Ratsherr ein Dorn im Auge. Wir haben Enak deshalb empfohlen, sich für eine Weile auf sein Gut zurückzuziehen, bis sich die Wogen geglättet haben. Und jetzt sagt Uns, was Ihr über Unseren alten Freund wisst.«
    »Enak, seine Familie und die gesamte Dienerschaft des Fürsten wurden auf bestialische Weise umgebracht«, begann Taramis und schilderte den schrecklichen Leichenfund auf dem Gutshof.
    Zeichnete sich zunächst Bestürzung auf dem Gesicht der Regentin ab, so wurde daraus im Laufe seines Berichts zunehmend Zorn. »Und es waren zweifelsfrei Dagonisier, die das Gut überfallen haben?«, vergewisserte sie sich, nachdem Taramis geendet hatte.
    »Etwa fünf Dutzend Krieger, versicherte mir einer meiner Begleiter – er vermag in die Vergangenheit zu blicken.« Taramis holte tief Luft. »Mein Gefährte hat auch den Verräter gesehen, der den Fürsten mit seinem Schwert niederstreckte.«
    »Verräter? Enak hat sich immer geweigert, mit den Dagonisiern auch nur ein Wort zu wechseln.«
    »Der Mörder war ein Ungestreifter, wie die Antische zu sagen pflegen, ein junger Mann von grobschlächtiger Statur mit kantigem Gesicht. Er ist aber nicht plump, wie es den Anschein hat, sondern mit seinem Feuerfischschwert so schnell wie eine Kobra und so tödlich wie ein Taipan. Vermutlich handelt es sich um einen Seelenfresser.« Taramis verstummte, weil das Mienenspiel der Regentin jäh zu versteinern schien. »Fällt Euch zu dieser Beschreibung vielleicht ein Name ein, Hoheit?«
    »Dazu ist sie viel zu vage«, antwortete Lebesi ausweichend. Ihr Ton kühlte dabei dermaßen ab, dass jeder andere sofort das Thema gewechselt hätte. Nicht so Taramis. Er hatte das Gefühl, auf der richtigen Fährte zu sein. Die Regentin wusste mehr, als sie sagen wollte.
    »Wie wäre es mit Asor?«
    Lebesis Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und ihre raue Stimme

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