Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Grabhaus vor Einbruch der Dunkelheit zu verlassen«, bemerkte Eglon.
»Wozu auch? Ist doch ein gemütliches Plätzchen«, versetzte Zur. Flapsige Sprüche waren seine Art, mit Anspannung umzugehen.
»Wir brauchen Proviant und ein Transportmittel, um von der Insel wegzukommen«, sagte Taramis, ohne den Blick von dem Totenschädel zu nehmen.
»Ich sehe, was sich machen lässt«, versprach der Priester. Er strich sich über den kahlen Schädel. »Außerdem hätte ich einen Vorschlag, wohin Ihr Euch von hier aus wenden könnt.«
Taramis fuhr herum. »Wisst Ihr etwas über Asor?«
»Leider nein. Ich bin zwar hier geboren, habe Peor aber schon in jungen Jahren verlassen, um als Wanderpriester durch die Welt zu ziehen.«
»Dann seid Ihr wohl auch nach Jâr’en gepilgert?«
»Ihr meint, weil ich Euren Meister kenne? Ja. Ich war sogar mehrmals auf der Heiligen Insel. Eli und Marnas hatten mir schon damals in höchsten Tönen von Lasias Sohn vorgeschwärmt. Als ich wieder nach Peor zurückkehrte, war der Name Asor bereits tabu.«
»Was wolltet Ihr uns dann vorschlagen?«
»Ihr habt Lebesi doch gefragt, wie man das Versteck der Kirries findet …«
»Sagt bloß, Ihr wisst …?«
»Nein, nein, nein, ich bin Priester, kein Piratenfreund«, beeilte sich Eglon klarzustellen. »Doch wenn man so vielen Audienzen der Regentin beigewohnt hat wie ich, dann hört man so allerlei von den Gesandten aus fernen Ländern. Auf der Insel Dun, am Rand der Äußeren Region, soll ein Kirrie leben, der für sein Volk Handelsbeziehungen knüpft.«
»Kennt Ihr seinen Namen?«
»Erkundigt Euch in der Altstadt von Dunis nach Jagur. Wenn Ihr ihn freundlich bittet, wird er Euch vielleicht helfen.« Der Priester schmunzelte, wohl in der Annahme, dass die Höflichkeit des zornigen jungen Tempelwächters ihre Grenzen hatte.
»Das werde ich tun«, versprach Taramis. Ihm fiel auf, dass Eglon sich mit nachdenklicher Miene den schwarzen Ziegenbart zupfte. »Gibt es noch etwas, das Ihr uns sagen wollt?«
»Nun ja. Ich will Eure Entscheidung nicht infrage stellen …«
»Bitte sprecht. Was liegt Euch auf dem Herzen?.«
»Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Regentin Gaal wie einen Papagei in ihren Gemächern aufstellen will.«
»Das sehe ich genauso«, pflichtete ihm Marnas bei. »Der Antisch ist gefährlich. Ihr solltet gleich noch einmal zu ihr gehen und ihr diese Sache ausreden.«
Eglon verzog das Gesicht. »Ihr kennt sie nicht. Niemand ist so eigensinnig wie diese Frau.«
Darin war sich Taramis mit dem Priester einig. »Sie hat versucht, uns die wahre Identität Gaals zu verheimlichen. Als Ihr sie uns offenbart habt, wirkte sie aufgewühlt. Habt Ihr eine Erklärung dafür?«
»Versetzt Euch in ihre Lage. Sie hat wie eine Löwin dafür gekämpft, eines Tages die Herrschaft über Komana ihrem Sohn in die Hände zu legen. Durch den König von Dagonis wurden diese Pläne zunichtegemacht.«
»Hm.« Taramis biss sich auf die Unterlippe. Sein Gefühl sagte ihm, dass es noch eine andere Erklärung für Lebesis ungestümen Hass auf Gaal geben musste. Verschwieg ihm Eglon etwas? Anstatt sich wie Eli im Dienst für Gao aufzuopfern, widmete er sich weltlichen Aufgaben. War nicht Eifer für Gott, sondern Ehrgeiz die treibende Kraft des obersten Priesters von Komana? Wenigstens schien er kein Parteigänger der Dagonisier zu sein.
»Ich wünschte, Ihr hättet Gaal getötet«, sagte Eglon, als ihm der forschende Blick des Tempelwächters offensichtlich zu unangenehm wurde.
»Lebesi verkündete, der Schlange sei das Haupt abgeschlagen. Meint Ihr, die Regentin wird den Schulterschluss mit den freien Völkern Beriths suchen, um dem dagonisischen Drachen endgültig das Rückgrat zu brechen?«
»Ich werde ihr jedenfalls dazu raten. Meines Erachtens will sie durchaus die Kinder des Lichts aus dem bedrückenden Schatten ihrer dunklen Brüder herausführen.«
»Weil sie Komana dadurch eine Vorrangstellung verschafft?«
»So viel Menschenkenntnis bei einem so jungen Mann vorzufinden, ist erstaunlich«, pflichtete Eglon ihm bei. »Mir scheint Lebesis Machtpolitik dennoch das kleinere von zwei Übeln. Als Priester des wahren Gottes kann ich es schwer ertragen, in unmittelbarer Nachbarschaft eines Götzentempels leben zu müssen.«
»Marnas sagte, Gaal habe das Volk von Komana blenden wollen, indem er Dagons Anbetungsstätte größer und prächtiger machte als die des Herrn der Himmlischen Lichter. Das hört sich für mich nach einem Krieg der
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