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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entgegenstrebten, war von unten nicht zu sehen gewesen. Er schlängelte sich zwischen schroffen Felsvorsprüngen entlang, durchquerte tunnelartige Durchbrüche und führte über grob behauene, stark erodierte Stufen. Vor etwa tausend Jahren sei das Volk der Kirries in einem Bruderzwist seiner Herrscher beinahe untergegangen, hatte Tagor während der Reise erzählt. Der König von Karka – ein Vorfahr von Dov – habe sich hier einen Fluchtweg anlegen lassen. Sein Zwillingsbruder forderte ihn zum Zweikampf heraus, wie es bei den Freibeutern seit jeher Sitte ist, wenn einer Anspruch auf den Thron erhebt. Nach einem zwanzig Stunden langen Hauen und Stechen tötete der Emporkömmling den Monarchen. Darauf geriet der Pfad in Vergessenheit. »Mein Stammvater war der Baumeister«, hatte Tagor stolz erklärt. »Deshalb ist das Wissen um den Geheimweg in unserer Familie erhalten geblieben.«
    Nach etwa einer Stunde erreichten sie einen unscheinbaren Felsspalt, wie sie zuvor schon Dutzende gesehen hatten. Es war der Eingang zur verborgenen Welt der Kirries. Tagor winkte seine Begleiter hinein.
    Mit jedem Schritt wurde das orangefarbene Tageslicht schwächer. Taramis meinte im Halbdunkel einen bogenförmigen Schatten zu sehen. Er ließ sich von Masor eine Fackel geben und wandte sich Pyron zu. »Jetzt sind deine Fähigkeiten gefragt.«
    Der Feuerbändiger schnippte mit den Fingern und reckte den Daumen hoch, auf dem eine kleine Flamme tanzte.
    »Keine Albernheiten, Pyron«, mahnte Marnas.
    »Ich will Taramis nur helfen, seine Fackel anzuzünden.«
    »Das hättest du genauso gut auch selbst machen können.«
    »Spart Euch die Mühe«, sagte Tagor. Er bückte sich in einen dunklen Winkel. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er zwei apfelgroße, weißgraue Steine in den Händen.
    »Wenn du versuchst, uns mit den Steinchen die Lichter auszupusten, breche ich dir sämtliche Knochen«, drohte Gabbar.
    »Ein bisschen kann ich meinen Herrn schon verstehen, warum er Euch geblendet hat«, antwortete der Kirrie spitzlippig und schlug die beiden Felsen mehrmals kraftvoll gegeneinander. Klack, klack, klack … Schon beim ersten Aufprall begannen sie wie Kohlen orangerot zu glimmen und bei jedem weiteren Klack! leuchteten sie heller.
    »Was ist das denn?«, staunte Pyron.
    »Deine Entlassungsurkunde«, frotzelte Zur.
    »Wir nennen es das Kalte Feuer«, erklärte Tagor. »Zwei solcher Klumpen halten mehrere Tage lang. Sie bestehen aus getrockneten Qickkadavern. Viele Chamäleonquallen fallen nämlich auf die Insel, wenn sie verenden. So gibt Carma uns Licht, und Malon versorgt sie zum Dank mit Nahrung.«
    »Fressen die Wabbels Steine?«, wunderte sich Zur.
    »Nein. Die Qicks fressen winzige Pflanzen und Tiere, die im Äther treiben«, entgegnete Tagor pikiert. »Gao hat es so eingerichtet, dass unser schönes Malon immer zur passenden Zeit die reichsten Weidegründe der Äußeren Region durchquert. Carma weiß, wenn sie uns begleitet und beschützt, braucht sie niemals darben.«
    »Wie löscht man die Flamme?«, fragte Taramis.
    »Gar nicht. Sie wird von selbst schwächer und geht nach ungefähr einer Stunde von allein aus. Sollten wir uns verstecken müssen, streift einfach Euer Wams drüber.«
    »Muss man sie aneinanderschlagen oder gibt es eine leisere Methode sie zu entfachen?«
    »Nein.«
    »Ein zweischneidiges Schwert, wie mir scheint.«
    »Glaubt mir, Fackeln wären in den Höhlen weit verräterischer. Sie stinken und machen auch nicht viel weniger Lärm – unsere Ohren sind sehr empfindlich.«
    »Ach deshalb sind die so groß«, warf Zur ein.
    »Habt Ihr noch mehr von den vertrockneten Quallen?«, fragte Taramis.
    »Genug für alle.« Der Kirrie deutete in den finsteren Winkel. »Bedient Euch.«
    Das Lager hätte ausgereicht, um dreimal so viele Männer mit Kaltem Feuer zu versorgen. Jeder Zeridianer wählte sich ein handliches Paar der unterschiedlich großen Klumpen aus. Marnas empfahl, das Kalte Feuer zunächst nur an der Spitze und am Ende des Zuges zu entfachen. So könne man die Lichter notfalls rasch mit der Kleidung bedecken.
    Der Tunnel war anfangs so schmal, dass die Gefährten hintereinandergehen mussten. Tagor und Taramis liefen voran. Ihnen folgten Marnas, Pyron, Zur und Masor. Gabbar bildete mit seinen leuchtenden Quallenklumpen das Schlusslicht. Nach etwa einer Viertelstunde endete der Weg an einer halbrunden Wand, vor der ein Felsbrocken lag.
    »Erzählt mir jetzt nicht, Ihr hättet Euch verlaufen?«, sagte Taramis

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