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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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in drohendem Unterton.
    Tagor grinste. »Der Kerkermeister von Karka doch nicht! Rollt einfach den Stein weg.«
    »Einfach? Ihr macht Witze«, knurrte Gabbar. »Den kriegen wir nicht mal zu siebt vom Fleck.«
    »Das ist Bimsstein. Der sieht nur so schwer aus«, erklärte der Kirrie. Es bereitete ihm sichtlich Freude, die Zeridianer immer wieder zum Staunen zu bringen.
    Masor und Gabbar wälzten den Brocken zur Seite. Darunter kam ein rundes Loch zum Vorschein.
    »Da müssen wir rein?«, fragte Taramis argwöhnisch.
    Tagor nickte. »Der ganze Berg ist mit Lüftungsschächten durchzogen wie ein Sadiwatischer Käse. Deshalb fällt es nicht auf, dass diese Röhre hier ein Geheimgang ist. An der Innenwand sind Löcher. Wir können daran herunterklettern wie an einer Leiter.«
    »Wie weit?«, erkundigte sich Zur.
    »Ungefähr fünfhundert Fuß.«
    Der Lauscher stöhnte. »Und wie sollen wir da etwas sehen? Wir können ja schlecht klettern und die Lichtsteine halten.«
    Tagor zog die Augenbrauen hoch, wackelte aufmerksamkeitsheischend mit dem Kopf und deutete dann mit der Hand über seine Schulter. »Dazu haben wir Kirries unsere Kapuzen. Ich lege zwei Klumpen rein – in dem engen Schacht gibt es genug Licht für uns alle.«
    Wenige Augenblicke später hatte Taramis das Gefühl, in den Schlund eines gigantischen Ungeheuers hinabzusteigen. Nur das orangerote Licht unter ihm machte die beklemmende Lage etwas erträglicher. Die in den Fels geschlagenen Mulden waren kaum groß genug, um darin mit Händen und Füßen Halt zu finden. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn über ihnen der hünenhafte Gabbar abstürzte. Er würde mit seinem Gewicht alle in die Tiefe reißen.
    »Sollte ich je heiraten, mache ich mit meiner Braut eine Hochzeitsreise hierher«, grummelte es von oben. Kater Zur konnte es nicht lassen, seine Anspannung mit Scherzen zu bekämpfen.
    Plötzlich hörte Taramis unter sich ein Geräusch, das eindeutig nicht von dem Kirrie kam, es war ein vielstimmiges Fiepen und Flappen. Entsetzt blickte er in die Tiefe. Die beiden Lichtsteine in Tagors Kapuze wurden jäh verdunkelt. Von einer lebendigen schwarzen Wolke. Der Nebelwächter war umgeben von einer Schar flatternder Leiber.
    Fledermäuse!
    Taramis schloss die Augen, zog den Kopf ein und klammerte sich an den Griffen fest. Über ihm schrie jemand. Nur nicht fallen! , schoss es ihm durch den Sinn. Kleine Steine rieselten ihm auf den Kopf. Jemand musste abgerutscht sein.
    Dann war der Schwarm vorüber.
    »Wenn du mir noch einmal aufs Haupt steigst, beiß ich dir den Zeh ab«, knurrte Zur von oben.
    »Entschuldige. War keine Absicht«, antwortete Pyron.
    »Alles in Ordnung bei euch?«, raunte Taramis.
    »Ich glaube, er hat mir ein Ohr abgerissen«, beklagte sich der Lauscher.
    »Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass es in unseren Höhlen von Leben nur so wimmelt?«, fragte Tagor von unten.
    Taramis atmete erleichtert auf. Sie waren noch einmal mit dem Schrecken davongekommen. »Haltet keine Vorträge, sondern bringt uns hier raus.«
    Der Kirrie brummte etwas Unverständliches und kletterte weiter. Die Übrigen folgten.
    Es schien, als dauere der Abstieg eine Ewigkeit. Als Tagor schließlich das Ende der Röhre ankündigte, stöhnten alle erleichtert auf. Nacheinander sprangen sie vom Schachtende in einen niedrigen Raum. Gabbar griff in die Brustfalte seines Gewands und holte die Lichtsteine hervor.
    Sie waren an einer Wegkreuzung herausgekommen, von der sechs Tunnel abzweigten. In einen von ihnen zeigte Tagor. »Da geht’s zum Königspalast.«
    »Seid Ihr sicher?«, fragte Zur.
    Der Kirrie fuhr zu ihm herum und zischte: »Noch so eine Bemerkung und Ihr könnt Euren Weg alleine suchen.«
    »Ruhig Blut!«, gemahnte Taramis. »Wir sind alle ein bisschen überreizt. Es nützt niemandem, wenn wir die Nerven verlieren.«
    Tagor deutete erneut in den von ihm für richtig befundenen Tunnel. »Das ist der Weg und sonst keiner.«
    Wie eine Schafherde ihrem Hirten folgten die Zeridianer dem ehemaligen Kerkermeister. Bald kamen sie in Gänge, die breiter, höher und besser behauen waren. Ab und zu hörten sie Schritte und Stimmen. Rußspuren an den Wänden brachten Taramis in Erinnerung, was Tagor diese »Geisterwege« betreffend gesagt hatte. Sie gehörten zu einem Teil der Hauptstadt, der nach dem erwähnten Bruderzwist vor tausend Jahren verlassen worden war. Jetzt dienten einige der alten Tunnel als Grabstätten, andere als Lager. Das neue Karka lag zu ihren Häupten.

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