Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Gesellschaft wieder einmal als wohltuend empfand. Halt sie von dir fern! , ermahnte er sich. Dein Herz gehört Xydia . Im Panzer der Drachenkröte gab es eigentlich genug Privatsphäre für jeden der acht Reisenden, sogar ein Königinnengemach, das Gaal vermutlich hatte einrichten lassen, um Lebesi zu schmeicheln. Die Tempelwächter hatten es Eli förmlich aufzwingen müssen. Seine Tochter wohnte bei ihm. Ihre Fürsorge um den Vater hielt sie jedoch nicht davon ab, bei jeder Gelegenheit die Gesellschaft von Taramis zu suchen.
»Du denkst immer noch an sie, stimmt’s?«, fragte sie ihn am frühen Morgen des siebten Tages. Gerade hatte sie ihn vor den Überresten der Kiemenkapsel gefunden und sich zu ihm auf den Rand des Drachenkrötenschildes gesetzt. Ihre Beine ließ sie so verspielt baumelten wie damals, als sie noch das unbekümmerte kleine Mädchen gewesen war.
»An wen?« Seine einsilbige Antwort signalisierte ein Minimum an Gesprächsbereitschaft.
»Das weißt du ganz genau. Ich spreche von meiner Schwester.«
Er starrte nur über den Kopf der Drachenkröte hinweg in den Weltenozean hinaus.
»Xydia ist tot, Taramis.«
Die überraschende Härte in ihrer Stimme ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken.
»Entschuldige«, fügte sie leiser hinzu. »Meinst du, ich muss nicht jeden Tag an sie denken? Ich habe sie nicht weniger geliebt als du. Nur anders eben.«
Er seufzte.
»Ich hatte dich viel gesprächiger in Erinnerung.«
»Das ist lange her.«
»Wie geht’s heute deinem Arm?«
»Besser.«
Ihre eigentlich unvermeidliche Antwort blieb aus.
Er wandte ihr endlich das Gesicht zu und bemerkte in dem ihren einen Ausdruck des Zweifels. »Ehrlich. Deine Schlaufe war nützlich.«
»Danke.«
»Keine Ursache.«
Es folgte ein kurzes Schweigen, ungefähr zehn Drachenkrötenflossenschläge lang.
»Was hattest du mir eigentlich sagen wollen, Taramis? Vor einer Woche, meine ich.«
Er blinzelte sie verwirrt an. »Was?«
Sie schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln und blickte wieder geradeaus. »Mein Vater hatte gemeint, ich wäre schön. Na ja, und da fragte ich dich, ob das wahr ist. Ich meinte was anderes, aber du bist knallrot geworden und sagtest: ›Ob du schön bist? Ich finde, du bist eigentlich –‹ Und dann war Schluss.«
»Ich dachte, das hättest du vergessen.«
Sie kicherte. »Ich bin ein Mädchen. Die vergessen so was nie. Was hatte nach dem Eigentlich kommen sollen?«
Taramis schloss die Augen. Er kniff sie regelrecht zusammen. In seinem Innern tobte ein Gefühlssturm. Er mochte Shúria. Ihre erfrischende Natürlichkeit. Ihre Fürsorge in den vergangenen Tagen hatte ihn tief berührt. Es war kein plumper Annäherungsversuch, sondern ernste Sorge um sein Wohl. Aber durfte er ihr solche Empfindungen überhaupt zugestehen? Was, wenn sie sich in ihn … verliebte? Er schüttelte den Kopf.
»Was ist?«, bohrte sie nach. Ihre Stimme klang verletzt. Nicht sehr, aber doch spürbar. »Verbietet dir Xydia mit mir zu reden?«
Er sah sie verzweifelt an. »Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe, Shúria. Sogar schöner noch als Xydia. Aber …« Erneut schüttelte er den Kopf. Er wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte.
Ein weiteres Schweigen brach an. Diesmal dauerte es ungefähr zwanzig Flossenschläge.
»Sagst du das nicht nur, damit ich dich endlich in Ruhe lasse?«, fragte sie schließlich.
Er ließ den Kopf hängen. »Nein. Deine Sorge um mich bedeutet mir viel. Du bist für mich wie eine … Schwester.« Taramis biss sich auf die Unterlippe. Hatte er das eben wirklich gesagt?
Mit einem Mal spürte er ihre Hand auf der seinen, warm und sanft. Abermals kniff er die Augen zu. Ein Teil von ihm wollte sich ihr entziehen, doch ein anderer war dankbar für die tröstliche Berührung.
»Ich möchte Xydia nicht aus deinem Herzen verdrängen«, sagte Shúria leise. »Dort ist sie gut aufgehoben. Besser als in jedem Grab. Aber vielleicht hast du da drinnen ja auch für mich noch einen Platz. Ich habe meine beste Freundin verloren und … an deiner Freundschaft läge mir sehr viel.«
Er schluckte einen dicken Kloß hinunter. Seine Unterlippe bebte. Jetzt nur nicht heulen, Taramis! Reiß dich zusammen! Die Tränen kamen trotzdem. Jetzt, nachdem er sein Xydia gegebenes Versprechen gehalten hatte, ließen sie sich nicht mehr zurückhalten. Das sei in Ordnung, hatte Shúria gesagt. Ändern ließ es sich sowieso nicht mehr. Sie hatte den Schweiß seiner Trauer ohnehin schon gesehen. Und
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