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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einmal im Monat gibt es einen Überraschungsbesuch des Dicken.«
    »Qoqh?«
    Gabbar nickte. »Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst.«
    »Fürchtet er einen Sklavenaufstand? Hat es je so etwas gegeben?«
    »Von Zeit zu Zeit dreht ein Mann durch. Aber das kommt selten vor. Normalerweise vertreibt der Anblick der Wühler vor der Einfahrt jeden Anflug von Aufsässigkeit.«
    Inzwischen waren hinter dem Lorenzug die Grubenschweine angespannt worden. Eigentlich hießen die urtümlichen Kiemenatmer Cingulas. Ihren landläufigen Namen verdankten sie mehr der Vorliebe für das Wühlen im feuchten Schmutz von Höhlen und Bergwerken als einer nennenswerten Ähnlichkeit mit Borstenvieh. Nur die Körperabmessungen entsprachen ungefähr jenen großer Hausschweine. Mit ihrem aus beweglichen Ringen bestehendem Panzer, der spitzen Schnauze, den winzigen Augen und beweglichen kleinen Ohren sowie den riesigen Klauen glichen sie eher überdimensionierten Gürteltieren. Ihre Kraft rühmte Gabbar als phänomenal. Für die vier Loren genügten acht Zugtiere.
    Sobald die Räder nicht mehr blockiert waren, rollte die erste Fuhre in den Berg ein. Träge trotteten die Cingulas hinterher, wobei ihre krallenbewehrten Füße ein ganz markantes Geräusch erzeugten, eine Mischung aus Stampfen und Kratzen. Die enorme Kraft der Tiere war nur bei sehr steilem Gefälle und auf dem Rückweg gefragt. In jedem Eisenwagen saßen sechs Männer, jeweils einer von ihnen fungierte als Bremser. Insgesamt zwei Mal musste das Gespann in den Berg einfahren, um sämtliche Arbeiter unter Tage zu bringen.
    Schon nach wenigen Wagenlängen rutschte Taramis die steife, viel zu große Lederkappe in die Augen. Die Pantoffeln, für die irgendeine Kreatur ihren Panzer oder die Hörner hatte hergeben müssen, kamen ihm wie Eisengewichte vor. Mit einem Paar Stiefel an den Füßen hätte er gut hineingepasst, barfuß würde das Laufen darin fast unmöglich sein. Doch derlei war ohnehin illusorisch. Er wünschte sich nichts sehnlicher als ein bequemes Bett und sieben Tage Schlaf. Ein Wassertropfen fiel ihm auf die Nasenspitze. Dankbar leckte er ihn ab.
    Das Tageslicht verlor sich beängstigend schnell. Ohne die Grubenlampen wäre es bald stockfinster gewesen. Hinzu kam eine feuchte Hitze, die zunahm, je tiefer der Zug in den Berg eindrang. Ab und zu hallten die Rufe der Bremser durch den Schacht, wenn sie sich untereinander abstimmten oder dem Gespann Befehle erteilten.
    Für Taramis geriet das Gerumpel zur Tortur. Jede größere Erschütterung fühlte sich wie ein neuerlicher Schwertstich an. Als der Lorenzug endlich zum Stillstand kam, war er schweißgebadet. Gabbar drehte sich zu ihm um, schielte an Veridas vorbei und grinste.
    »Du siehst grauenhaft aus. Ist alles in Ordnung?«
    Taramis zog den Mund schief. »Danke. Mir ging’s schon mal besser.«
    »Das bedeutet, er kann uns jeden Moment zusammenklappen«, übersetzte Marnas im Hintergrund. »Gibt es hier einen geeigneten Ort zum Ausruhen?«
    Veridas deutete nach rechts. »Da ist ein Seitentunnel, den wir für unsere Ruhepausen benutzen. Er ist einigermaßen trocken, und weiche Erde zum Drauflegen gibt es auch.«
    Taramis kam sich erbärmlich vor, als er unter den besorgten Blicken der Männer mit Gabbar und Marnas in den abgelegenen Schacht humpelte. Während er sich ausruhen durfte, würden seine Gefährten bis zum Abend schuften müssen. Auch für ihn! Letztlich entschied die tägliche Pro-Kopf-Ausbeute darüber, ob die Kolonne das Wohlwollen oder den Zorn der Aufseher zu spüren bekam.
    Gabbar zeigte ihm den besten Platz, eine mit trockenem Sand gefüllte Mulde. Seine grünen Augen funkelten im Lampenlicht. »Ich kann gut nachfühlen, was in dir vorgeht, Taramis. Vor einem Jahr habe ich selbst an dieser Stelle ein paar Fieberanfälle durchgestanden. Mach dir also keine Gedanken. Jeder hier unten weiß, dass er der Nächste sein könnte, der die Hilfe der anderen in Anspruch nehmen muss.«
    »Danke, Gabbar. Du bist ein wahrer Bruder.«
    Der Hüne grinste. »Wenn nicht wir Nebelwächter, wer dann? Ich lasse dir eine Grubenlampe hier. Später sehe ich nach dir.« Er entfernte sich in Richtung Hauptschacht.
    Marnas wartete noch, bis Taramis es sich bequem gemacht hatte und lächelte ihm aufmunternd zu. »Im Tempel hatte ich dir gesagt, dass du für mich immer wie ein Sohn gewesen bist. Daran hat sich nichts geändert, nachdem deine Mutter von uns gegangen ist. Deshalb spreche ich als Vater zu dir, wenn ich dich anflehe,

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