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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Holztruhen und einem Regal, in dem sich Bücher, Karten und allerlei Dokumentenrollen stapelten. Der Boden war mit rauen Steinplatten ausgelegt.
    Nachdem keine Schritte mehr von der Treppe heraufhallten, widmete der Feldherr sich einer genaueren Betrachtung des Gefangenen, dessen Handgelenke auf dem Bauch gefesselt waren. Der Zeridianer sah auf der Liege beinahe wie ein Kind aus, weil sie auf die Anatomie von Antischen zugeschnitten war. Doch der Schein trog. Natsar hatte ihn kämpfen gesehen und dabei insgeheim sogar bewundert. Der Bursche war ein mächtiger Krieger. Mit seinem schwarzen Stecken hatte er einige der tapfersten Männer des Reiches förmlich niedergemäht. Schon allein deshalb könnte Taramis äußerst wertvoll für Dagonis sein.
    Der Heerführer wandte sich von der Liege ab und umrundete den Arbeitstisch. An der Wand dahinter lehnten Schild, Schwert und Stab des Tempelwächters. Ez steckte in einer Lederhülle, die der Sattler erst am Morgen fertiggestellt hatte. Natsar nahm ihn in die Hand. Wie leicht diese Waffe war!
    Er kehrte damit zu dem Bewusstlosen zurück, dessen streifenloses Gesicht sich mittlerweile entspannt hatte. Der zornige Lurch schlummerte wie ein Neugeborenes. Höchste Zeit, ihn aufzuwecken.
    »Taramis!«
    Der Zeridianer reagierte nicht.
    Natsar ließ Ez zwischen seinen Fingern kreisen wie einen Windmühlenflügel. Es verschaffte ihm einen prickelnden Nervenkitzel, eine Waffe in den Händen zu halten, deren bloße Berührung ihn zu töten vermochte. Man sagte, sie entzünde jedermanns Niedertracht und verschone nur einen Träger ohne Arg. Im Epigraph unter der jâr’enischen Säule des Bundes stand aber auch, Dagonis gebe dem Speer Jeschuruns Gleichgewicht. Für ihn, den obersten Kriegsherrn aller Antische, war der Kampf für Dagon zweifelsohne ein gerechter. Ob Ez diese Sicht der Dinge gelten ließ? Der kleine Lurch auf der Liege konnte das im Stab lodernde Feuer gewiss für ihn bändigen. Oder es zumindest zum Gedeihen des dagonisischen Reiches einsetzen.
    Der Kopf des Tempelwächters sank zur Seite und er seufzte.
    »Kommt zu Euch!«, rief Natsar lauter. Er stieß den Schlafenden mit der Stabspitze an.
    Taramis verzog wie unter Schmerzen das Gesicht und schlug die Augen auf. Ihre Blicke begegneten sich. Einen Moment lang wirkte er verwirrt.
    »Willkommen in meinem Haus«, sagte Natsar freundlich. Um sich einen menschlicheren Anstrich zu geben, vermied er nach bestem Vermögen den kehligen Dialekt seiner Heimatinsel. Er gewährte dem Gefangenen sogar den Ehrentitel. »Ihr findet Wasser und eine kleine Stärkung dort auf dem Tablett am Boden. Ich bitte Euch um Nachsicht für die Rüpelhaftigkeit meiner Leibwächter. Auf dem Rückweg werdet Ihr es bequemer haben.«
    »Warum habt Ihr mich kommen lassen?«, ächzte der Tempelwächter. Er setzte sich behutsam auf. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, doch er verzog keine Miene.
    Mein Schwert quält dich immer noch, dachte der Feldherr, aber du willst es mir nicht zeigen. Um seinen Gast ohne Gesichtsverlust Kräfte sammeln zu lassen, ließ er sich mit der Antwort Zeit. Er stellte Ez mit dem spitzen Ende auf den Boden, lehnte ihn in seine Armbeuge und streute sich aus einer goldenen Dose zwei kleine Häuflein Neschamah auf den Handrücken. Gemächlich sog er die erste Prise ins linke und danach die andere ins rechte Nasenloch. Fast augenblicklich spürte er ein angenehmes Brennen, dem ein Gefühl geschärfter Sinne folgte. Erst nachdem er sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, antwortete er im Plauderton: »Ich ließ nach Euch schicken, um Euch Eure Freiheit zurückzugeben.«
    Die Augen des jungen Tempelwächters verengten sich. »Um welchen Preis?«
    Natsar gönnte sich ein amüsiertes Lächeln. »Ihr seid kein Dummkopf. Das ist mir gleich aufgefallen, obwohl Euer Kampfstil etwas ungestüm ist. Ich möchte, dass Ihr Euch mit mir verbündet.«
    Taramis wirkte überrascht. »Ein Bündnis? Wozu? Etwa, damit ich Euch helfe, auch noch die restlichen sechs Säulen Gaos zu fällen?«
    »Ihr habt die Inschrift unter dem Monolithen also gelesen«, sagte Natsar und konnte einen selbstgefälligen Unterton nicht ganz verhehlen. »›Hast sieben Säulen auserkor’n, zum Ruh’n, die Zeit zu messen und zum Trost.‹ Kennt Ihr die Bedeutung dieser Worte?«
    »Bestimmt sind sie keine Aufforderung, einem bärtigen Götzen mit Fischleib zum Sieg zu verhelfen.«
    »Hütet Eure Zunge, junger Lurch. Ich habe Euer Leben verschont, biete Euch

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