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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Sie saßen an einem der langen Eisentafeln im offenen Speisesaal und gaben sich so natürlich, wie es für Sklaven in ihrer Lage angemessen erschien: kein Raunen, kein verschwörerisches Über-den-Tisch-beugen, nur ungezwungenes Plaudern. Gabbar lachte sogar hin und wieder an völlig unpassenden Stellen der Unterhaltung, damit der Schein gewahrt wurde. Um sie herum redeten Hunderte anderer Bergarbeiter. Am Rand des überdachten Bereiches langweilten sich die dagonisischen Wärter.
    »Was hältst du von meinen Überlegungen?«, fragte Taramis seinen Lehrer. Lustlos fischte er ein Stück lilafarbenes Gemüse aus der blassbraunen Brühe in seinem Blechnapf.
    »Etwas unausgegoren«, antwortete der Hüter kauend von der anderen Seite des Tisches.
    »Das ist mir klar. Eine Frage, Meister …«
    »Marnas. Über den Meister sind wir längst hinaus.«
    Taramis nickte. Nach den Strapazen des Tages fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er konnte kaum noch die unvermindert heftigen Schmerzen in der Seite vor den Wärtern verbergen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen. Sein Schädel brummte, als habe sich darin ein Wespenschwarm häuslich eingerichtet. »Du hast mich auf der Drachenkröte vor dem Sturz ins Meer bewahrt«, setzte er ein zweites Mal an. »Wie groß ist diese Kraft?«
    »Das Fernwirken? Stärker als meine Muskelkraft. Worauf willst du hinaus, Taramis?«
    »Kannst du damit fliegen?«
    Marnas lachte, diesmal wohl nicht allein zur Beruhigung der Wärter. »Du machst dir völlig falsche Vorstellungen. Kein Wunder, ich konnte dich ja nie davon überzeugen, deine mentalen Fähigkeiten zu entwickeln. Weißt du noch, wie du als Dreikäsehoch mit einem Männlein gespielt hast?«
    Masor und Gabbar grinsten.
    Taramis errötete. Das Spielen mit Puppen galt als unmännlich. Zu seiner Ehrenrettung sagte er: »Mein hölzerner Krieger stellte dich dar, Marnas, den Hüter von Jâr’en. Ich habe dich bewundert.«
    »Und mich auf einer prall gefüllten Schweineblase tanzen lassen.«
    »Die stellte unsere Scholle dar.«
    »Wie auch immer. Ist es dir je gelungen, das Männlein auf die Blase zu stellen?«
    »Kaum. Sie hätte sich darunter weggedreht und die Figur wäre hinuntergestürzt.«
    »Was, glaubst du, wäre passiert, wenn du sie auf deine Insel hättest herabfallen lassen?«
    Taramis zuckte die Achseln. »Die Blase hätte den Sturz abgefangen.«
    »Und dein hölzerner Marnas wäre in federndem Sprung wieder in den Äther katapultiert worden.«
    »Was willst du mir erklären?«
    »Ich möchte dir eine Vorstellung davon vermitteln, was mein Fernwirken kann und was nicht. Damit zu fliegen, käme dem Tanz auf der Schweineblase gleich – es ist so gut wie unmöglich. Aber einen Fall aus größerer Höhe abzufangen und dann mehr oder weniger elegant zu Boden zu gleiten, das gelänge schon. Nur …«
    Taramis hob erwartungsvoll die Augenbrauen. »Was?«
    »Vermutlich denkst du daran, wie du auf Zeridia deinen Stab Ez unter dem Fuß des Wolfsdrachen losreißen wolltest.«
    »Bin ich etwa kein Fernwirker?«
    »Doch. Der erbärmlichste, der mir je untergekommen ist.«
    Nun mussten sogar Veridas und Pyron schmunzeln.
    »Hast du vorhin nicht gesagt, dass man manchmal große Fehler macht? Wichtig sei nur, was wir daraus lernen?«
    »In einem etwas anderen Zusammenhang, Taramis.«
    Er straffte den Rücken. »Könntest du mir helfen, meine mentalen Fähigkeiten zu vervollkommnen?«
    »Ohne Frage. In dir schlummert ein mächtiger Geist. Hättest du dein Potenzial nicht verkümmern lassen, wärst du längst …«
    »Wirst du es mich lehren?«, unterbrach Taramis den Hüter. Er war erregt, und den besorgten Mienen der Gefährten nach zu schließen, sah man ihm das auch an.
    Marnas atmete geräuschvoll aus. »Das werde ich, und ich bin sicher, du wirst mich eines Tages überflügeln, sofern du lange genug an dir arbeitest. Aber dazu sind Zeit und Ausdauer nötig. Momentan hast du weder das eine noch das andere. Du bist geschwächt und musst dich ausruhen.«
    »Mein Wille ist ungebrochen. Ich kann mich erholen und gleichzeitig üben.«
    »Die Grube ist nur eine der Ungereimtheiten in deinem Plan«, meldete sich Gabbar zu Wort. Er war gerade damit beschäftigt, eine Graupe einzufangen, die sich im Dickicht seines Vollbartes verirrt hatte. »Du hast von einem Dutzend Männer gesprochen, die du mitnehmen möchtest. Das ist vernünftig, denn die Flucht muss unauffällig vonstattengehen. Jeder offene Kampf mit den Feuermenschen wäre

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