Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Verstoßes gegen die Disziplin genügte ihm als Rechtfertigung für brutale Maßnahmen. Zwei Wochen zuvor hatte seine Willkür einen Gefangenen das Leben gekostet. Der erschöpfte Mann übersprang beim abendlichen Appell versehentlich eine Zahl. Daraufhin zerquetschte Qoqh ihm kraft seines sadistischen Geistes das Herz.
»Eins«, begann der erste Sklave die Folge, die bei eintausendachtundvierzig enden musste – sofern seit dem Morgen niemand gestorben war.
»Zwei«, rief der Nächste.
Taramis bemerkte am Rande des Gesichtsfeldes, wie Marnas ihn anstarrte. Als er sich dem Hüter zuwandte, schüttelte der kaum merklich den Kopf. Die Stunde der Entscheidung ist gekommen, dachte Taramis. Sein Blick kehrte zum Dicken zurück.
Das vorderste Glied wurde flüssig durchgezählt und die Reihe kam ans zweite, wo die drei Gefährten standen. Taramis schloss die Augen. Er hörte, wie die Stimmen näherkamen.
»Einundfünfzig … zweiundfünfzig … dreiundfünfzig …«
Als Dor seine Nummer herausschrie, sah Taramis wieder zum Podest nach vorn. Er zögerte.
Qoqh merkte sofort auf. Sein stechender Blick heftete sich auf den saumseligen Zähler.
»Siebentausendsiebenhundertsiebenundsiebzig«, brüllte Taramis.
Der Dicke lief zum Rand der Plattform. »Was war das?«
Taramis trat aus dem Glied heraus vor die erste Reihe. Sofort legten mindestens ein Dutzend Armbrustschützen auf ihn an.
»Was wolltest du sagen?«, fragte der Kommandant in drohendem Ton.
»Siebentausendsiebenhundertsiebenundsiebzig«, wiederholte der Angesprochene lauthals.
»Was fällt dir ein, du stinkender Hund? Nach vierundfünfzig kommt fünfundfünfzig«, kreischte Qoqh.
»Nein, siebentausendsiebenhundertsiebenundsiebzig, du verfetteter Sohn eines Schlammkarpfens. Du hängst mir so zum Halse heraus mit deiner Selbstgefälligkeit! Es wird Zeit, dass wir deiner Tyrannei ein Ende …« Taramis verstummte und griff sich an die Brust.
Der Dicke hatte seine Hand zu einer Kralle geformt, die sich ganz langsam zusammenzog. »Ich soll selbstgefällig sein?«, schrie er. »Du willst einen Aufstand gegen mich anzetteln und bezichtigst mich der Überheblichkeit? Meinst du, weil Natsar dich für etwas Besonderes hält, kannst du dir alles herausnehmen?«
Taramis sackte auf die Knie, entrang sich ein Röcheln und nickte.
»Da muss ich dich enttäuschen«, schnarrte Qoqh. »Für Meuterei – so hat es der König selbst bestimmt – gibt es nur eine Strafe: den Tod!«
Mit dem letzten Wort schloss der Dicke die Hand.
Taramis stieß einen gellenden Schrei aus, der in einem Gurgeln erstarb, kippte vornüber in den Staub und regte sich nicht mehr.
Nach gewohnter Manier ließ man den Rebellen zur allgemeinen Abschreckung bis zum Anbruch der Nacht liegen. Sechs Posten bewachten ihn. Kein Zeridianer sollte auf die Idee kommen, den Körper des größten Kriegers von Zeridia zu stehlen oder ihm auch nur die letzte Ehre zu erweisen. Taramis sei wie ein tollwütiger Straßenköter gestorben, erklärte Qoqh den versammelten Arbeitssklaven und Dagonisiern, und ebenso werde mit seinem Kadaver verfahren. Wenn die Leichenfledderer erst mit ihm fertig seien, dann könne niemand seine Knochen von denen der anderen toten Hunde unterscheiden.
Im Schutz der Dunkelheit kehrte der Lagerkommandant auf den Appellplatz zurück – das Geräusch seiner Schritte war unverwechselbar. »Werft ihn ins Loch, Hauptmann Luth. Ich erstatte einstweilen im Turm Bericht von der Niederschlagung des Aufstands.«
»Glaubt Ihr, dieser Taramis war der Rädelsführer?«, fragte der Angesprochene mit heiserer Stimme.
»Das konnte unser Mann nicht mehr herausfinden. Zur Sicherheit habe ich bereits sämtliche Reiter ins Meer hinausgeschickt.«
»Damit niemand auf die Idee kommt, einen als Geisel zu nehmen, um ein Transporttier in seine Gewalt zu bringen? Das war unheimlich gescheit, Kommandant.«
»Eure Anbiederei kotzt mich an, Luth.«
»Jawohl, Kommandant.«
»Bleibt in jedem Fall wachsam. Bis die Sonne aus dem Äther taucht, kann viel … Gibt es noch was?«
»Unter der Folter hätte der Ungestreifte uns bestimmt verraten …«
»Habt Ihr an meinem Prinzip der sofortigen Bestrafung etwas auszusetzen, Luth?« Die Stimme des Dicken klang mit einem Mal schneidend.
»Nie und nimmer, Kommandant!«
»Gut. Im Übrigen zerbrecht Euch nicht meinen Kopf, sonst müsste ich eines Tages den Euren zerbrechen. Wäre schade drum. Wenn euch zwei jemand nach den heutigen Ereignissen fragt, dann stellt
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