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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sonderbares Gerücht die Runde. Angeblich erloschen fast jede Nacht die Pechfackeln auf den Türmen. Der Dicke wittere Sabotage, wurde gemunkelt, aber weder Feuchtigkeit noch andere Mängel ließen sich feststellen – tagsüber brannten die Fackeln einwandfrei. Auch der Wind schied als Übeltäter aus, weil er sich nach dem Verschwinden der Sonne eher zu beruhigen pflegte oder ganz aufhörte. Selbst der Generalverdacht gegen die Gefangenen, den Qoqh ohnehin ständig hegte, konnte nicht erhärtet werden. Obwohl einige Sklaven bei den Verhören hinreichend litten, gestanden sie nichts. Für die Soldaten gab es nur eine plausible Erklärung für die mysteriösen Vorfälle: Es war ein Geist, der im Sternenlicht über die Wachttürme hinwegstrich und alle Lichter ausblies.
    Dies stimmte sogar, wenngleich es sich dabei nicht um ein Gespenst im landläufigen Sinn handelte. Nur ein gutes Dutzend Zeridianer kannte die Wahrheit. Es war der junge Feuerbändiger Pyron, der die Nerven des Wachbataillons traktierte. Nicht Hitzköpfigkeit, Rachsucht oder Übermut trieben ihn dazu an, sondern der Plan. Die Posten auf den Türmen sollten sich an die Finsternis gewöhnen, an einen Zustand, der sie unter normalen Umständen in höchste Alarmbereitschaft versetzt hätte.
    Während der Dicke sich am Mysterium der schlafenden Flammen die Zähne ausbiss, mutete Taramis sich zunehmend größere Belastungen zu. Die Schonfrist für seinen Körper erklärte er ab Woche drei für beendet. Täglich griff er nun zu den Brechwerkzeugen und trotzte dem Berg von Mal zu Mal mehr Mosphat ab. Es war ein gutes Gefühl, sich nicht hinter den Freunden verstecken zu müssen, wenn eine der seltenen Kontrollen im Schacht auftauchte. Gleichwohl schufteten seine Gefährten weiter für ihn mit, um die strengen Vorgaben der Dagonisier zu erfüllen.
    Vor allem Gabbar leistete Übermenschliches. Der bärenstarke Paresianer schien unverwüstlich zu sein. Provokationen der Peiniger überspielte er meist mit einer lammfrommen, kindlichen Dickfelligkeit, von der man nie wusste, ob sie echt oder nur gespielt war. So hart der Hüne gegen sich selbst sein konnte, so empfindsam reagierte er auf die Nöte von Gefährten. Er besaß nicht nur ein riesiges Herz, sondern war auch nahe am Wasser gebaut. Als Taramis ihm vom Kummer über Xydias Tod erzählte, heulte der vollbärtige Riese wie ein Schlosshund.
    »Der General ist zurückgekehrt.« Mit dieser geflüsterten Nachricht verdarb Dor dem jungen Nebelwächter exakt dreißig Tage nach dem Besuch im Turm von Zin den Appetit aufs Abendessen. Die Sonne versank gerade am Horizont, als der bullige Jäger aus Verdenia sich beim Zählappell neben Taramis drängte. Dor war ein Ablenker. Er konnte die Wahrnehmung anderer Personen so beeinflussen, dass sie ihn einfach nicht beachteten. Dieser Fähigkeit, die ihn zu einem Meister im Verstecken machte, verdankte er die Berufung in den Kreis der Zwölf. So nannte Taramis das Dutzend Männer, das ihn bei der Flucht begleiten sollte. Jeder von ihnen besaß eine besondere Begabung.
    »Bist du sicher?«, raunte er.
    »Ich hatte heute Küchendienst. Töpfe scheuern. Frauenarbeit.« Dor verzog angewidert das Gesicht. »Dabei sah ich Natsars Ätherschlange kommen. Ihr golden gesprenkelter Kopf ist unverwechselbar.«
    Taramis wandte sich Marnas und Veridas zu, die rechts von ihm standen, und wisperte: »Gebt den Zwölfen Bescheid. Heute Nacht fliehen wir.«
    Veridas nahm sein Halsband ab und legte es samt dem Anhänger auf die flache Hand des jungen Nebelwächters.
    Offenkundig missfiel dem Hüter diese Geste der Zustimmung, ebenso wie ihm der Eifer seines Schülers nicht behagte. Auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. »Du brauchst mehr Zeit, Junge! Deine Ausbildung ist noch lange nicht abgeschlossen.«
    Wie zum Gegenbeweis benutzte der Adept das Fernwirken, um sich unauffällig des Sternensplitters zu bemächtigen. Der schwarze Stein schwebte an seinem Lehrer vorbei und das Lederband legte sich Taramis wie von Geisterhand um den Hals. Er lächelte grimmig. »Du hast mir viel beigebracht, Marnas. Abgesehen davon – habe ich denn eine andere Wahl? Wenn der General mich ruft, dann ist es zu spät. Ich muss ihm zuvorkommen.«
    »Durchzählen!«, schnarrte der beleibte Lagerkommandant. Er hatte seinen Stammplatz auf dem flachen Podest eingenommen. Seine durchdringende Stimme ließ die Sklaven erstarren. Die drakonischen Strafen des Dicken waren gefürchtet. Schon der Verdacht eines

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