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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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euch dumm. Darin seid ihr ja geübt.«
    Die Soldaten bestätigten murmelnd den Befehl, der ihnen hörbar missbehagte. Dann packten sie den reglosen Körper des Rebellen, warfen ihn auf einen Handkarren und machten sich auf den Weg zur Grube.
    Taramis hielt die Augen weiter geschlossen, wie es sich für einen Toten gehörte. Seine Umgebung nahm er nur mit den Ohren wahr. Als das Gitter des Lagertores sich mit vernehmlichem Rasseln schloss, hätte er am liebsten befreit aufgeatmet. Doch er blieb völlig bewegungslos, während sein Geist bei einer Lektion des Hüters von Jâr’en verweilte.
    Beherrsche deinen Körper, damit nicht er dich versklavt.
    Mit diesem Leitsatz hatte Marnas Generationen junger Tempelwächter zur Selbstdisziplin erzogen. So lernte jeder Gardist, wie man Hitze, Kälte und Schmerzen ertrug; auch die Kontrolle des Herzschlags und der Atmung gehörte zur Ausbildung. Auf Zin brauchte Taramis nicht einmal seine Lungen mit Luft zu füllen – das Heben des Brustkorbs hätte ihn verraten können. Sich überzeugend tot zu stellen, fiel ihm daher nicht schwer.
    »Da vorn ist es«, sagte einer der Soldaten im kehligen Dialekt der Dagonisier. Sein sägendes Organ gehörte erkennbar nicht dem Hauptmann, in dessen Obhut sich Taramis schon früher befunden hatte.
    Ein zweiter Krieger – vermutlich dieser Luth – brummte nur.
    Taramis ließ sein Blut wieder schneller zirkulieren. Sein Bewusstsein erwachte mit einem Feuerwerk von Gedankenbildern. Verbeulte Essnäpfe und umgefallene Stühle purzelten durch seinen Sinn. Er hatte in den letzten Wochen oft von diesem Moment geträumt. Gleich musste er seine ganze Geisteskraft abrufen. Tat er es zu früh, würden die Wärter es bemerken, reagierte er zu spät, konnte er am Grund der Grube zerschmettert werden.
    Als der Wagen anhielt, stieg ihm der süßliche Geruch verrottenden Fleisches in die Nase. Kräftige Hände drehten ihn auf den Rücken.
    »Sieh mal den Anhänger«, sagte die schon zuvor vernommene Sägestimme. »Darf ich ihn nehmen, Luth, oder möchtest du ihn haben?«
    Taramis erschrak. Nicht den Sternensplitter!
    »Das ist nur ’n Flint, du Schnäpel. Die ganze verdammte Insel besteht aus Steinen. Ich mach mich doch nicht zum Gespött der Truppe und häng mir so ’n Ding auch noch um den Hals.«
    »Hm. Stimmt eigentlich. Sollen ihn die Leichenfledderer bekommen.«
    Ein flackerndes Licht schimmerte durch Taramis’ Augenlider. Jemand zerrte an seinen Fußgelenken. Jetzt nicht die Muskeln anspannen! , ermahnte er sich, während er über die Bretter des Karrens rutschte. Wie sollte er reagieren, wenn man ihn einfach auf den Kopf fallen ließ? Er konnte die Besinnung verlieren. Damit wäre sein Schicksal besiegelt. Sollte er das makabre Spiel beenden und die Antische töten? Sicher würde man sie vermissen und Alarm schlagen.
    Der andere Fischkopf packte ihn unter den Achseln und sagte: »Ich staune immer, wie etwas so Leichtes uns so viel Ärger machen kann.«
    »Quatsch kein dummes Zeug. Bei drei schmeißen wir ihn runter. Eins …«
    Taramis wurde nach vorne geschwungen und pendelte wieder zurück.
    »Zwei …« Abermals holten die Soldaten aus.
    »Und drei!« Kraftvoll schleuderten sie ihn zur Mitte der Grube hin.
    Warte! , ermahnte er sich, während sein Körper in hohem Bogen ins Leere flog. Durch die Wimpern sah er die Fackeln der Dagonisier. Sein Geist tastete nach den Rändern des Lochs. Noch nicht! Sie beobachten dich . Der Seitwärtsschwung verwandelte sich in eine Abwärtsbewegung. Er rief sich das Bild einer prallen Schweineblase ins Bewusstsein, ein Trick, zu dem Marnas ihm geraten hatte. Sie musste seinen Sturz abfedern. Der Grund kam schnell näher. Taramis konnte ihn jetzt deutlich spüren. Er verstärkte den Druck. Unter ihm klapperten Totengebeine.
    Ansonsten passierte nichts.
    Du brichst dir den Hals! Verzweifelt stemmte er sich gegen die Schwerkraft an.
    Mit einem Mal wurde er langsamer. Die Anstrengung war mörderisch. Er kam sich vor wie ein leckes Gefäß, aus dem die mentale Energie nur so herausschoss. Die Erschöpfung wollte ihn schon übermannen, als er in einen Berg von Knochen krachte.
    Sterne tanzten vor seinen Augen. Jeden Moment konnte er in Ohnmacht versinken. Der Aufprall war härter gewesen als erwartet. Du brauchst mehr Zeit. Deine Ausbildung ist lange noch nicht abgeschlossen. Marnas hatte recht gehabt.
    Der Verwesungsgeruch betäubte seine Sinne. Verschwommen nahm er über sich die Fackeln der Dagonisier wahr. Ob

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