Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
eines Ministers kümmern, heute sogar um die des Königs. Der trügerische Friede endete, als der junge Og unter dem Einfluss des Oberpriesters den Feuerkult einführte. Eglon ist in Wirklichkeit …«
»Gaal«, schnitt ihm Taramis das Wort ab. »Das weiß ich. Er war ebenso dein Feind wie der meine. Wie konntest du nur gemeinsame Sache mit ihm machen?«
»Er hat mir seinen Rüssel gezeigt.«
Taramis erschauerte. »Du meinst, er drohte dir mit dem Weg der Unsterblichkeit?«
Veridas nickte. »Entweder werde ich zum Wirt seiner Larve und höre auf zu existieren«, sagte er, »oder ich helfe ihm, dich zu finden. Ich bin auch nur ein Mensch, Taramis. Es tut mir entsetzlich leid.«
Wer könnte deine Angst besser verstehen als ich? Taramis bückte sich und half dem Alten auf die Füße. »Lass das Vergangene die Zukunft nicht ersticken, guter Freund. Ich sehe, dass deine Reue echt ist und will nicht, dass sie dich verzehrt. Du hast mir sehr wehgetan, trotzdem verzeihe ich dir.«
Selbst im Dämmerlicht der Kammer war zu erkennen, dass Veridas’ Wangen feucht von Tränen waren. »Danke, Taramis – auch für den guten Freund . Ich bin hier, um dir zu helfen.«
»Du besitzt deine Gabe also immer noch?«
»Ja. So habe ich Shúria kurz nach ihrer Ankunft in Peor gefunden. Seitdem wache ich über sie. Ich glaube, ein oder zwei Mal hat sie mich bemerkt. Deine Befürchtung ist übrigens richtig. Sie ist auf dem Weg zum Tempelplatz.«
Taramis packte die Schultern des Sehers. »Dann verlieren wir keine Zeit. Bring mich zu ihr, Veridas.«
Im Laufschritt eilten sie durch den Geheimgang. Der aus massivem Fels herausgehauene Tunnel mündete in einer Krypta unter dem Haus der Gebeine. Taramis verband düstere Erinnerungen mit diesem Ort, der den Oberpriestern von Komana als letzte Ruhestätte diente.
Unbemerkt schlüpften er und seine drei Begleiter aus dem Grabhaus. In der Nähe lief ein Leibgardist gegen einen Baum, prallte zurück und fiel rücklings hin.
»Was hat er?«, wunderte sich Peridas.
»Er kann nichts sehen«, antwortete Taramis einsilbig. Seine Gedanken kreisten um Shúria und Ari. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät.
Abseits der Hauptwege huschten sie durch den Park, immer auf die Rauchsäulen zu, die ihnen über den Wipfeln die Richtung wiesen. Wohin sie ihre Blicke auch wandten, sahen sie Palastwachen, die entweder wie aufgescheuchte Hühner hin und her rannten oder blind herumtappten.
»Nicht so schnell, Taramis«, dröhnte plötzlich ein rollender Bass. Nur wenige Schritte entfernt trat Jagur hinter einem Busch hervor.
»Ein Kirrie?«, wunderte sich Peridas.
»Der Mann ist mir sympathisch«, sagte Jagur.
Aus anderen Verstecken im näheren Umkreis kamen nun auch Reibun, Nadis und Avid zum Vorschein.
»Wir haben so viel Verwirrung gestiftet wie möglich«, erklärte der Malonäer.
Der schwarze Riese nickte. »Wäre der Kleine kein Blender, hätten sie uns längst erwischt.«
»Erzählt mir das später. Kommt erst mal mit!«, drängte Taramis.
Auf dem Weg aus dem Palastbezirk stellte er die neuen und alten Gefährten einander vor und berichtete in der gebotenen Kürze vom Stand der Dinge. Keter, so erfuhr er von seinen Freunden, sei mit Ischáh gegangen. Zwei Ganesen könnten mehr Tiere mobilisieren als einer allein.
Am Nebentor schlug Jagur die Wachen mit Blindheit. Ungesehen huschten die Verschwörer in die Stadt.
Taramis entledigte sich in der nächsten Gasse unter Jagurs argwöhnischen Blicken Stück für Stück seiner Panzerung.
»Sind wir im Herbst? Lässt du deine Blätter fallen?«, grunzte der Kirrie.
»Im Hemd der Unverwundbarkeit kann ich mich besser bewegen. Wir haben immer noch Peridas und seine Rüstung, um bei Bedarf mit der Autorität der königlichen Leibwache aufzutrumpfen.« Taramis streifte sich Leviat über den Kopf. Danach richtete er seinen Willen auf Allons Geist und rief den Hengst. Hoffentlich war er mit seinen beiden Reitern vom Gartenvolk nicht zu weit entfernt.
Auf dem kurzen Weg zum Bluttempel bekam Taramis mit eigenen Augen zu sehen, wovon ihm bisher nur berichtet worden war. An verschiedenen Ecken und Plätzen kämpften Soldaten der Stadtwache und der königlichen Leibgarde gegen – vermeintlich – tollwütige Hunde, beißende Pferde, tretende Esel, wilde Schweine, kratzende Katzen, um sich schlagende Schwäne, hackende Truthähne, wütende Hühner, pickende Spatzen, stechende Hornissen und anderes Getier. Irgendwie musste es den Ganesen gelungen sein, eine
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