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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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– beschädigten.
    Der Wagen, auf dem sie mit Ari und Siath saß, fuhr durch den sogenannten Todeskorridor, eine von Tempelwächtern freigehaltene Gasse zwischen den Gläubigen und den wartenden Opfern. Wer diesen Bereich unaufgefordert betrat, bekam ebenfalls eine Schnellverbrennung.
    Bis auf zwei Feuerstätten in unmittelbarer Nähe des zylindrischen Haupttempels brannten alle Öfen. Trotz der hohen Schornsteine wirbelte der Wind an diesem brütend heißen Nachmittag den stinkenden Rauch immer wieder nach unten.
    »Müssen wir jetzt sterben, Mama?«, fragte Ari.
    Shúria drückte seine Wange an ihre Brust und weinte.
    »Wusstest du, dass ich ein Feuermädchen bin?«, sagte Siath.
    Der Junge nickte. »Ich hab die Flamme über deinen Händen gesehen?«
    »Und? Habe ich mich verbrannt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    Sie strich ihm durch die Haare und lächelte. »Weil das Feuer und ich Freunde sind. Es gibt immer Hoffnung, Ari. Du darfst sie nur nicht aus den Augen verlieren.«
    »Freunde?«, wiederholte Shúria leise.
    Siath nickte nur, da der Wagen in diesem Augenblick unmittelbar vor dem letzten Ofen der linken Kolonnadensichel stehen geblieben war. Die Tempelwächter, die sie auf Pferden eskortiert hatten, stiegen ab. Ein schwarz gewandeter Priester eilte herbei.
    »Pharis«, schnaubte die Ganesin. »Ich hätte mir denken können, dass du dir die Gelegenheit nicht entgehen lässt, mir eins überzubrennen.«
    »Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf. Und das Spotten wird dir schnell vergehen, Siath«, entgegnete der Selektor. Er wedelte mit der Rechten zu einem der Schwarzröcke hin. »Verbringt die drei Sonderopfer in den kalten Ofen.«
    »Er ist nicht angeheizt, Ehrwürden?«, wunderte sich der Mann.
    »Ausdrückliche Anweisung vom Oberpriester. Nach dem Ritual kommt er übrigens herüber, um sich den Rauch anzusehen.« Er rieb sich die Hände. »Das wird eine echte Herausforderung. Wir dürfen auf keinen Fall zu schnell einheizen oder unnötigen Qualm machen, damit er sie noch schreien hört.«
    Mit ihren langen Spießen wiesen sechs Mann den Todgeweihten den Weg. Erhobenen Hauptes durchschritt Siath als Erste die Tür, Shúria und Ari folgten ihr fest aneinandergeklammert.
    Der innere Ofen war ein mit Schamottsteinen ausgekleideter, quadratischer Raum. Von den Seitenwänden aus lief die Decke oben spitz zu und mündete in den Kamin. Darin war als kleines blaues Viereck der Himmel zu sehen. Weder Asche noch andere Verschmutzungen zeugten von dem Grauen, das sich hier abgespielt haben musste, nur der dumpfe Geruch von kaltem Rauch. Shúrias feine Nase nahm überdies noch etwas anderes wahr, das ihr eine Gänsehaut verursachte.
    Ein metallisches Ächzen ließ sie herumfahren. Ihr Herz verkrampfte sich, als sie die bronzene Tür zufallen sah. Das Licht im Opferofen nahm rasch ab. Dann war nur noch das kleine blaue Viereck da.
    »Du bist gar keine Feuerbändigerin, nicht wahr?«, fragte Shúria bang. Sie hoffte, ihre Freundin würde dem widersprechen.
    »Ob ich Flammen mit meinem Geist ersticke, meinst du? Nein. Leider nicht. Ich kann mich nur schützend vor euch stellen und die Hitze ein wenig länger von euch fernhalten.«
    »Danke«, murmelte Shúria. Sie lief mit Ari zur Bronzetür, wo sie sich niederließen, einander festhaltend, die Rücken an das kühle Metall gelehnt.
    Siath gesellte sich zu ihnen.
    Die Zeit in dem leeren Schamottkasten zog sich endlos hin. Hin und wieder sprachen sie ein inbrünstiges Gebet. Sonst aber redeten sie nicht viel. Shúria musste an die Wochen nach ihrer Verlobung mit Taramis denken. Damals war das Warten auf die Hochzeit etwas Beflügelndes gewesen. Später dann, während Ari in ihrem Leib heranwuchs, hatte es ihr jeden Tag neue Überraschungen geschenkt, meist waren es freudige. Jetzt aber hatte es die Fratze des Todes angenommen, des schlimmsten Feindes der Menschen.
    »Ich habe Taramis’ Hand auf der Wange gespürt«, sagte Shúria irgendwann.
    »Wann? Davon hast du mir gar nichts erzählt.«
    »Vor drei Tagen. Als ich Og mit der falschen Monatsblutung hereingelegt habe. Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
    Ihre Freundin nickte versonnen. »Als Kind habe ich mit meinen Eltern viele Stunden im Garten der Seelen verbracht. Wir Ganesen glauben, dass du es spüren kannst, wenn ein Freund oder Feind deinen Seelenbaum berührt.«
    »Ich bin sicher, dass es Taramis war.«
    Siath drückte ihre Hand. »Dann ist noch nicht alles verloren.«
    In der Decke

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