Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
du?«, fragte Taramis schroff. Seine schlimmsten Ahnungen schienen sich zu bestätigen.
»Du müsstest dich von mir fesseln lassen.«
»Das sagst du nur, um dir eine neue Niederlage gegen mich zu ersparen.«
Der Antisch lachte leise. »Ich zwinge dich nicht, mir zu glauben. Es liegt allein in deiner Hand, Shúria und Ari zu retten.«
Taramis knirschte mit den Zähnen. Niederträchtiger geht’s wohl nicht! »Bist du gekommen, um mich zu töten, Bochim?«
»Keinesfalls. Wie schon einmal bitte ich dich um einen Schulterschluss.«
»Dann kennst du ja meine Antwort. Ich werde nicht mit dir paktieren, und an der Weltherrschaft habe ich auch kein Interesse.«
»Der Preis für das Leben deiner Familie ist gerade gesunken.«
»Was soll das heißen?«
»Gib mir den Reif der Erkenntnis und du bekommst, wonach sich dein Herz so sehr sehnt.«
Ach, daher weht der Wind! »Wenn du mir jetzt die gleiche rührselige Geschichte erzählst, wie es König Jarmuth getan hat, dann fang ich an zu heulen.«
»Du meinst, dass er seinem Zwergenvolk ein weiser und vorausschauender Herrscher werden möchte? Den Floh habe ich ihm ins Ohr gesetzt, damals schon, nachdem seine Piraten mich von dem Kadaver deines Gefährten aufgelesen haben.«
» Du steckst hinter seinem Ansinnen? Worum geht es dir bei dem Diadem?«
»Das braucht dich nicht zu interessieren. Ich will es jedenfalls nicht für mich. Zumindest solange mein Erzeuger noch lebt. Der Kopfreif ist als Köder für ihn gedacht. Gaal hat so seine versponnenen Vorstellungen, was die Kräfte dieses … Gegenstandes betrifft.«
Bochim – der alte Intrigant! »Ich bin fast geneigt, dir zu glauben. Dann ist dein Vater also tatsächlich zurückgekehrt, wie er es mir angedroht hat?«
»Ja, auf dem Weg der Unsterblichkeit. Genug der Plauderei, Taramis Drachentöter. Was ist jetzt? Werden wir uns handelseinig? Wenn ich das Leben deiner Familie retten soll, musst du dich von mir binden lassen. Anders geht es nicht.«
Taramis zögerte. Nicht, weil er wirklich in Betracht zog, auf den »Handel« einzugehen. Die komanaischen Soldaten in der Bibliothek deuteten zwar auf einen gewissen Einfluss Bochims im Reich der tausend Scherben hin, doch ob er ihm bei der Rettung von Shúria und Ari tatsächlich helfen wollte, das stand auf einem ganz anderen Blatt. Vielleicht konnte er den Spieß ja umdrehen und den Antisch in Ketten legen …
Wie aus dem Nichts erschien neben Taramis ein Trugbild, das ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Er überzeugte sich gründlich von der Originaltreue des Doppelgängers. Bei dem, was er vorhatte, konnte er sich keine Flüchtigkeitsfehler erlauben. Alles war perfekt, auch der Stab Ez und das in Adma erbeutete Schwert wirkten echt.
Der falsche Zeridianer betrat die Küche. Wie ein Marionettenspieler, für das Publikum unsichtbar, beobachtete Taramis die Bewegungen seines Akteurs. Sie mussten verhalten sein, um keinen Verdacht zu erwecken, denn seine Gaukeleien waren weder zu hören noch zu riechen.
»Leg die Waffen nieder. Den Feuerstab zuerst«, befahl Bochim.
Taramis gehorchte. Ganz behutsam lehnte er beides gegen die Wand.
»Komm langsam näher«, verlangte der Antisch. »Du weißt, wie schnell ich reagieren kann. Eine falsche Bewegung – und ich muss dich töten. Dann sterben auch deine Frau und dein Sohn.«
Dem richtigen Taramis lief ein Schweißtropfen die Schläfe herab. Sein Körper war aufs Äußerste angespannt, als der Doppelgänger seinen Blicken entschwand.
»Halt!«, bellte Bochim unvermittelt. In der Blutlache war zu erkennen, dass er nicht mehr das Trugbild ansah, sondern sich der Tür zugewandt hatte. »Netter Versuch, Taramis«, rief er. »Du hättest die Graupen, die ich auf dem Boden ausgestreut habe, irgendwie zum Knirschen bringen müssen, dann wäre ich vielleicht auf deine Täuschung hereingefallen. Und jetzt komm endlich zu mir, oder meine Geduld wird …«
»Meine ist schon längst erschöpft«, stieß Taramis zornig hervor und sprang im selben Augenblick durch die offene Tür in die Küche. Mit der Rechten wirbelte er den Feuerstab herum, die Linke schwang das große Schwert. Den Antisch sofort anzugreifen wagte er nicht, weil er mit weiteren Hinterhältigkeiten rechnete.
Er hätte es trotzdem wagen sollen.
Bochim stand nur etwa einen Schritt neben der ausgeweideten Leiche des Bibliotheksgehilfen, so als habe er in der spiegelnden Blutlache gesehen werden wollen . Als sich die beiden Kontrahenten nun gegenüberstanden, machte der
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