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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Ich glaube, du tust das Richtige. Nicht ich, sondern Gao wird deine Wege segnen. Du bist Jeschurun. Gehe nach Dagonis. Rette deinen Sohn. Befreie uns von der Saat der Finsternis. Und vergiss nicht den Stab, den dir einst dein Vater gab.«
    Wetterleuchten durchzuckte den kupferroten Himmel über dem Gedogh, und Ätherwinde zausten die Barteln in Gaals Gesicht. Auf Dagonis waren Meeresstürme keine Seltenheit. Mit seinem verbliebenen Auge starrte der König grimmig auf das dramatische Wogen, das die kugelförmige Eiseninsel umtoste. Zum Teil speiste es sich aus dem finsteren Schlund, der noch immer den Samen der Dunkelheit in den Weltenozean spie. Ab und zu schimmerte die Sonne stumpf durch die dunklen Schleier. Es war ein Tag ganz nach Gaals Geschmack. Die Stunde für die Neugeburt eines Gottes konnte man sich nicht besser vorstellen.
    »Wir kommen, mein Herr Dagon! Das dritte Opfer für die Große Erweckung naht«, kicherte der Einäugige in seine Barteln hinein. Auf seinem Haupt saß der Reif der Erkenntnis wie eine Siegerkrone. Die dreizackige Lanze diente ihm als Wanderstab, in der anderen Hand hielt er das Ende einer langen Leine. Einmal mehr zog er grob an dem Strick, den der störrische Lurch um den Hals trug.
    »Au!«, schrie Ari und stolperte den Hang hinauf. »Was seid Ihr für ein König, der sich immer an den Schwächeren auslässt?«
    »Halt dein freches Maul, Kaulquappe! Es ist nun mal das Los des Stärksten, sich mit Schwächeren abzuplagen.«
    »Ihr tut mir leid.«
    Gaal lachte höhnisch. »Meine Spione haben mich schon vor deinem überfließenden Mitgefühl und deiner menschlichen Wärme gewarnt. Mich kannst du damit nicht weich kochen.«
    »Schade. Würde ’ne schöne Fischsuppe geben.«
    Der König fuhr zornig herum und reckte dem Jungen seinen Dreizack entgegen. »Was hast du gesagt?«
    »Ich? Nichts. Der Sturm gaukelt in Euren Ohren.«
    Gaal drehte sich wieder um und schleppte sein Opfer weiter den Hang hinauf. Die Luft roch nach Rost und Schwefel. Bald war es geschafft. Er verdrängte die Erinnerungen an seine Söhne, an Verlust und Schmerz, an Gefühle, für die er nur Verachtung empfand, obwohl sie ihn bis heute plagten. Diesmal brauchte er nicht sein eigen Fleisch und Blut darbringen. Der Sprössling seines Erzfeindes Taramis würde seinen Triumph krönen. Ari stammte aus dem Geschlecht Olams, des Äonenschläfers, eines Mannes, dessen Lebenskraft mit der keines anderen Menschensohnes zu vergleichen war. In seinem Abkömmling glühte noch der Funke der Ewigkeit, die der Schöpfer zu Anbeginn der Zeit ins Herz der Menschen gelegt hatte. Wenn der Knabe in den Schlund stürzte, würde Dagon erwachen.
    Endlich hatte er den Kraterrand erreicht. Wie ein Fischer holte Gaal die Leine ein, bis Ari neben ihm stand. Er packte den Jungen im Nacken, wie man eine giftige Schlange festhält, wohl wissend, wie tödlich das Blut der Zeridianer war. Dass er dem Kleinen damit die Kiemenschlitze zuhielt, nahm er billigend in Kauf. Der zappelnde Lurch würde sowieso nicht mehr lange leben.
    Genüsslich schob Gaal seinen Gefangenen weiter vor, bis er mit dem Oberkörper über dem finsteren Abgrund hing, dem Tartaros, in dem Dagon auf seine Erweckung wartete. »Und? Wie gefällt dir das? Spuckst du jetzt immer noch so große Töne?«
    Der Junge krächzte nur und strampelte heftiger. Sein Gesicht verfärbte sich zunehmend rot.
    Der König lachte. »Ich schlage vor, wir übertreiben es nicht mit der Feierlichkeit. Mein Herr Dagon braucht ein lebendes Opfer. Wichtig ist ohnehin, was am Ende herauskommt.«
    Ein verdächtiges Geräusch ließ Gaals triefenden Spott jäh versiegen. Es hörte sich wie das Flappen großer Flügel an. Erschrocken fuhr er herum und wurde von der Sonne geblendet, die überraschend eine Lücke im dunklen Gewölk gefunden hatte. Blinzelnd starrte er den schwarzen Schattenriss an, der nur wenige Schritte entfernt auf dem Berggipfel landete.
    Es sah aus wie ein Reiter auf einem geflügelten Pferd.
    »Warte!«, rief Taramis und schwang sich aus dem Sattel. Er gab Allon einen Klaps, damit er zu dem versteckten Donnerkeil zurückkehrte, ehe sich die Luft in seiner Körperblase erschöpfte.
    »Bleib stehen, wo du bist, und versuche keine Tricks!«, warnte ihn Gaal und schüttelte Ari. Dessen Beine zuckten schwach.
    Taramis zog es das Herz zusammen. Falls nicht sofort etwas geschah, würde Ari ersticken. »Warum der Junge?«
    Der König lachte. »Wieso nicht? Du hast meinen Sohn umgebracht, und ich

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