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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Euch, Herr.«
    Bahadur lauschte dem Klang der Schritte des ihm treu ergebenen Stammesfürsten nach. Selbst den Atem seines Sohnes vermochte er wahrzunehmen. Sein feines Gehör hatte ihn schon vor manchem Meuchelmörder gerettet. Seit der viele Sommer zurückliegenden Niederlage gegen die vereinigten Heere der Tempelwächter und ihrer Verbündeten war er als Großkhan nämlich nicht unumstritten. Bisher hatte er allerdings sämtliche Mordversuche überlebt und auch im Zweikampf jeden Rivalen besiegt. Zumindest darüber brauchte er sich bald keine Sorgen mehr zu machen. Er würde seinem Sohn ein wiedererstarktes Kesalonien übergeben, das weite Teile der Inneren Region beherrschte. Grimmig spähte der Khan zum Gehöft hinüber. Hier und heute würde er den Grundstein des neuen Großreiches legen.
    Von jenseits des Grabens ertönte der Pfiff einer Lerche. Das vereinbarte Zeichen.
    Bahadur hob das Widderhorn an die Lippen, mit dem schon sein Urahn, der erste Großkhan, die Drachenreiter in die Schlacht gerufen hatte. Kraftvoll ließ er die Luft durch das archaische Instrument strömen. Das Angriffssignal bestand aus drei rhythmisch an- und abschwellenden Tonfolgen.
    Plötzlich verdunkelte sich die Morgensonne, so als schiebe sich eine Wolke davor.
    »Was für ein gewaltiger Donnerkeil!«, staunte Sakim.
    Das majestätische Geschöpf schwebte lautlos vom Ätherischen Meer heran. Es trug eine Kiemenkapsel, die im Morgenlicht wie ein Diamant glitzerte. Das Tier ähnelte einem riesigen Stachelrochen und maß deutlich über sechzig Fuß – ohne den peitschenartigen Schwanz, der seine Länge fast verdoppelte. Wie zwei Stoßzähne zielten seine zusammengerollten Kopfflossen auf die unsichtbare Armee. Ob es die Drachenmänner witterte? Obwohl es bereits das Gehöft erreicht hatte, glitt es weiter auf die Schlachtreihe der Kesalonier zu. Dabei sank es stetig tiefer.
    Der Khan schnaubte unwillig. »Haben wir die Geister erzürnt, dass sie uns mit immer neuen Prüfungen strafen?« Er stieß zum zweiten Mal ins Horn.
    Der Donnerkeil schlug mit den flügelartigen Dreiecksflossen, wohl eine instinktive Drohgebärde, denn außerhalb der Schwerelosigkeit des Äthers konnte er sich nur mit den Schwallblasen fortbewegen.
    Mit einem Mal drehte sich das Tier, und sein Schwanz peitschte über den Boden. In einem halbkreisförmigen Radius von mehr als einhundert Fuß wurden sämtliche Kesalonier wie mit einer Sense niedergemäht. Bahadur sah gleichsam mit den Ohren, was seinen Augen verborgen blieb. Er hörte das Splittern von Knochen. Furchtbare Schreie erschollen aus dem Nichts. Etliche seiner Männer stürzten platschend in den Wassergraben, andere waren offenbar vom giftigen Stachel des Donnerkeils getroffen worden – röchelnd wälzten sie sich auf dem Boden.
    Außer sich vor Zorn holte der Khan Luft, um zum dritten Mal ins Horn zu stoßen. Noch konnte er das launische Kriegsglück zu seinen Gunsten wenden …
    Plötzlich hörte er ein Zischen.
    Sein Überlebensinstinkt ließ ihn reagieren, ehe der Verstand die Bedrohung richtig eingeordnet hatte. Er duckte sich.
    Ein Pfeil sirrte an ihm vorbei. Das Gefieder streifte sein Haar. Neben ihm schrie Sakim auf.
    Bahadur hechtete aus dem Sattel. Er sprang auf seinen Sohn zu, ohne ihn zu sehen. Mit ausgebreiteten Armen pflügte er durch die Luft, und seine Rechte bekam etwas zu fassen. Sakim brüllte ein zweites Mal vor Schmerzen, als sein Vater ihn vom Pferd riss. Einen Wimpernschlag später rauschte ein weiterer Pfeil über sie hinweg.
    »Wo hat er dich getroffen?«, keuchte der Khan.
    »Am Arm. Dicht bei der Stelle, wo du mich gepackt hast«, ächzte Sakim.
    »Kannst du den Tarnschleier trotzdem noch aufrechterhalten?«
    »Für uns beide vielleicht«, antwortete die Stimme aus dem Unsichtbaren. »Aber unsere Brüder habe ich verloren.«

5. Der letzte Pfeil
    N a, das nenne ich mal eine glückliche Fügung«, grunzte Jagur, als Narimoth über sie hinwegglitt und sofort ins Kampfgeschehen eingriff.
    »Pscht!«, machte Taramis. Mit schussbereitem Bogen spähte er in die Richtung, aus der die zwei letzten Hornsignale gekommen waren. Nachdem er sich und seinen Freund mit einer Gaukelei vor den Blicken des Feindes verborgen hatte, waren sie nahe an die Kesalonier herangeschlichen. Dabei ließen sie sich von ihren Sinnen führen, Taramis von denen des Jägers und der Kirrie von dem wohl noch feineren Gehör des Volkes vom Berge, dessen Angehörige sich sogar in absoluter Dunkelheit

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