Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
verunsicherten Kesalonier hinein.
Gerade hatten die Drachenmänner noch gebangt, jeden Augenblick mit Blindheit geschlagen zu werden, da ereilte sie bereits ein neues Unheil. Ihnen musste es so vorkommen, als fiele plötzlich ein Racheengel über sie her. Der Unsichtbare fällte einen Krieger nach dem anderen. Die Schneise, die er dabei schlug, hatte seltsamerweise zwei ganz unterschiedliche Ränder: Links verloren die Männer Gliedmaßen oder erlitten tiefe Schnittwunden, rechts dagegen sanken sie einfach zu Boden, manche fingen nach kurzer Zeit an zu rauchen.
»Du brauchst sie nicht kunstgerecht zu zerstückeln«, rief Taramis über die Schulter. Das Wohnhaus hatte nun doch Feuer gefangen, was ihn zusätzlich zur Eile antrieb. Sein Schwert Malmath ließ er stecken, und den Schild Schélet benutzte er nur, wenn er ungezielte Attacken blindlings um sich schlagender Kesalonier abwehren musste. Ansonsten beschränkte er sich darauf, die bloße Haut seiner Gegner mit dem Feuerstab zu berühren. Jedes dunkle Gefühl war für Ez wie Zunder, und so verbrannten die Drachenmänner an ihrer eigenen Mordlust.
»Erkläre du mir nicht, wie ich meine Lehi zu behandeln habe«, grunzte der kleine Recke.
Plötzlich fauchte der Schwanz des Donnerkeils über sie hinweg und fegte die nähere Umgebung leer. Ein Ruf hallte zu ihnen herab. Es war Siaths Schwester.
»Taramis?«
»Ich bin hier, Ischáh.« Er zog Jagur sofort an eine andere Stelle, um wachsamen Bogenschützen kein Ziel zu bieten.
»Sie schießen sich auf Narimoth ein«, rief die Donnerreiterin. »Er hat bereits mehrere Verletzungen. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Ich kehre jetzt zum Haus zurück, um unsere Familien aufzunehmen.«
»Ist gut. Wir halten euch den Rücken frei. Kannst du etwas gegen das Feuer tun?«
»Ich werd’s versuchen.«
Der Donnerkeil schwenkte herum und entfernte sich. Auf dem Weg zum Gehöft wischte sein Schwanz einen Trupp Kesalonier hinweg, die abseits des Kampfgeschehens zu den Gebäuden hatten durchbrechen wollen.
Auch Taramis und Jagur zogen sich langsam zurück. Ihre Gegner rückten nach, sobald sie keinen Widerstand mehr spürten. Man mochte den wilden Gesellen aus den kesalonischen Steppen nachsagen, was man wollte, Feiglinge waren sie jedenfalls nicht.
Als Narimoth das brennende Dach überquerte, schlug er einmal heftig mit den Dreiecksflossen. Der dadurch entstehende Luftwirbel war so gewaltig, dass die Flammen augenblicklich erloschen. Danach landete Ischáh ihren Schwaller auf der dem Meer zugewandten Seite des Gehöfts, damit ihn die Frauen und Kinder in der Deckung des Wohnhauses besteigen konnten.
Während die Ganesin, ihr Ehemann Keter und die übrigen Donnerreiter den Gefährten in die Kiemenkapsel halfen, zogen sich die zwei unsichtbaren Recken auf den Vorplatz zwischen die Gebäude zurück. Rechts von ihnen befand sich die Scheune, links der lang gezogene Stall und in ihrem Rücken das Haupthaus. Mit einem Mal erscholl wieder das Kriegshorn der Drachenleute.
Es war eine komplizierte Melodie, die Taramis fast wie ein Befehl aus einzelnen Tonwörtern vorkam. Weniger als fünfzig Kesalonier standen den beiden Verteidigern des Hofes noch gegenüber. Kaum hatten die Drachenmänner das Signal vernommen, rückten sie auch schon alle gleichzeitig los. Ihr Vormarsch begann verhalten, doch mit jedem Schritt wurden sie schneller.
»Wir müssen uns aufteilen und sie davon abhalten, hinter das Wohnhaus zu gelangen, bis Narimoth außer Reichweite ihrer Pfeile ist«, rief Taramis gehetzt.
»Und wir?«, fragte Jagur.
»Wir kämpfen.«
»Klingt wie Musik in meinen Ohren. Was ist mit unserer Tarnung?«
»Meine Geisteskraft ist ohnehin so gut wie erschöpft.«
»Na ja, früher ist es ja auch ohne Gaukelei gegangen …« Der Kirrie verstummte, weil plötzlich ein Schwarm von Pfeilen auf sie zukam. Im letzten Augenblick lenkte er einen mit seiner Axt zur Seite.
Taramis fing gleich zwei mit seinem Schild ab. Ein dritter traf ihn an der Schulter, konnte das Drachenhemd jedoch nicht durchdringen. Dutzende weiterer Geschosse durchlöcherten die Luft zwischen den Gebäuden. »Ihr Anführer hat die Taktik geändert. Er weiß, dass wir hier weniger Bewegungsspielraum haben, und hofft auf einen Glückstreffer.«
»Ganz schön niederträchtig, der Bursche. Kannst du ihnen nicht mit deinem Drachenfeuer einheizen?«
»Wenn ich Lurkons Gabe unter Gewalt hätte, säßen wir längst beim Frühstück. Warte mal …« Taramis klaubte den Rest
Weitere Kostenlose Bücher