Die Zeugin
durchgeschlafen. Noch während er den Schlüssel ins Schloà schob, hoffte er, daà Lisa verreist sei.
Doch sie war in der Wohnung. Ãberdreht. Und streitlustig, weil sich irgendein Passagier in der ersten Klasse auf ihrem Nachmittagsflug wie ein Idiot aufgeführt hatte.
»Tut mir leid, daà du einen so schlechten Tag hattest.« Er gab
sich alle Mühe, verständnisvoll zu klingen. »Aber meiner war auch nicht gerade ein Spaziergang. Ich muà erst mal unter die Dusche und dann gehen wir ins Bett und schlafen einfach drüber, okay?«
Doch Fügsamkeit gehörte nicht zu Lisas hervorstechenden Eigenschaften. Sie hielt ihm ein Handtuch bereit, als er aus der Duschkabine trat, und als er ins Schlafzimmer kam, wartete sie verführerisch lächelnd im Bett auf ihn.
Von dem Zeitpunkt an, an dem er die erfreulichen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen entdeckt hatte, hatte der Anblick einer nackten Frau noch nie seine Wirkung auf ihn verfehlt. Trotzdem widmete er sich ihr in dieser Nacht eher lustlos und selbstbezogen, und Lisa vermiÃte seine übliche Finesse.
Sie knipste die Nachttischlampe an. »John, wir müssen miteinander reden.«
»Bitte nicht jetzt, Lisa. Ich bin total erschöpft.« Er erkannte schon an ihrem Tonfall, daà es eines dieser »Unsere-Beziehung-hat-keine-Zukunft«-Gespräche werden würde, und dazu war er einfach zu müde. Selbst in besseren Nächten als dieser konnte er sich wenig für derartige Beziehungsanalysen erwärmen.
Ungeachtet seines ausgepumpten Zustands setzte sie zu der vertrauten Litanei über die unbefriedigenden Aspekte ihrer Beziehung an, die zufälligerweise genau mit jenen Details übereinstimmten, die ihm daran gefielen.
Sie sahen einander nicht oft genug, meinte sie. Als Stewardeà bei einer groÃen Fluglinie arbeitete sie zu unregelmäÃigen Zeiten und war oft weg. In seinem Job muÃte er ausgedehnte Reisen unternehmen. Sie trafen sich oft genug in ihrem Apartment, um ihre Gelüste zu stillen, aber nicht so oft, als daà sie voneinander abhängig geworden wären. John war das so am liebsten, Lisa wollte mehr.
»Du willst dich einfach nicht einbringen«, beschwerte sie sich.
Er sagte, das sei nicht wahr, während er ihr insgeheim zustimmen muÃte. Ihm gefiel ihr Arrangement â er betrachtete es nicht einmal als »Beziehung« â so, wie es war. Es erforderte von seiner Seite nur wenig Zeit, Anstrengung und Aufmerksamkeit. Er wollte, daà das so blieb.
Aber in jener Nacht hackte Lisa auf seinen Fehlern herum, bis er schlieÃlich wütend wurde. »Ich werde heute nacht nicht darüber reden, Lisa.« Er schaltete das Licht aus und grub seinen Kopf ins Kissen.
Sie murmelte: »Du ScheiÃkerl«, aber er reagierte nicht.
Am nächsten Morgen wachte er vor ihr auf. Während er so neben ihr lag und die Schlafende betrachtete, begriff er, daà Lisa Frank ihm immer noch genauso fremd war wie an jenem Tag, an dem sie nach einem Flug, auf dem sie ihn bedient hatte, die Telefonnummern ausgetauscht hatten.
Er war oft intim mit ihr gewesen, kannte sie aber kaum. Sie kannte ihn kaum. Denn John McGrath lieà niemanden nahe an sich heran. Wahrscheinlich wäre es fairer gewesen, ihr das von Anfang an zu sagen. Statt dessen hatte er zugelassen, daà sie unaufhaltsam auf den letzten Showdown und die unwiderrufliche Trennung zutrieben.
Seine Tagträume rissen ab, als er Kendall nebenan ein Kinderlied für Kevin singen hörte. Wahrscheinlich war das das erste Stillen heute. John stellte sich vor, wie sie das Baby in ihren Armen hielt, es anlächelte, mit den Fingerspitzen über sein kleines Gesicht strich und es ihre Mutterliebe spüren lieÃ.
Dieses Bild hatte sie auch abgegeben, als sie auf ihrer Decke vor dem Haus in Denver gesessen hatte und er ihr zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte fast erleichtert ausgesehen, als Jim Pepperdyne ihr seinen Ausweis zeigte, so als hätte sie darauf
gewartet, gefunden zu werden, und deshalb keine Angst davor verspürt.
Sie hatten ihr Zeit gelassen, die Sachen für sich und das Baby zu holen, bevor sie mit ihr zum Auto gegangen waren. Ehe sie einstieg, hatte sie innegehalten. Ihr Blick war ängstlich zwischen ihm und Jim hin und her geflogen. »Bringen Sie mich zurück nach South Carolina?«
»Ja. Madam«, hatte Jim geantwortet. »Sie müssen dorthin
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