Die Zeugin
hatte nachzuhaken.
Soweit sie wuÃte, war keiner ihrer Anrufe beim FBI auf Interesse gestoÃen, ganz zu schweigen davon, daà irgendwelche Ermittlungen geführt worden wären. Alle paar Wochen rief sie in einer anderen Zweigstelle an und berichtete, was sie in Prosper erlebt hatte.
Offenbar hatte man sie als Verrückte abgeschrieben. Sie verfolgte aufmerksam die Nachrichten und durchforstete die politischen Zeitschriften, in der Hoffnung, irgendwo etwas über eine ausgehobene Bürgerwehr in South Carolina zu lesen. Doch nirgendwo stand etwas darüber.
Die Männer der Bruderschaft vollzogen ungestraft ihre Hinrichtungen und sie konnte nichts dagegen unternehmen, ohne dabei ihr Leben zu riskieren. Aber genausowenig konnte sie müÃig herumsitzen und nichts tun.
Sie verbrachte ihre Freizeit damit, in der Bücherei zu sitzen und Informationen zu sammeln. Durch ein paar gedrückte Tasten gelangte sie in verschiedene Computernetze und machte ausgiebig Gebrauch von dieser Kenntnis. Allmählich stellte sie sich ihr eigenes Archiv zusammen. Darin sammelte sie Fakten über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Prosper, über ungelöste Mordfälle, VermiÃtenmeldungen ... alles, was eines Tages helfen könnte, die Angehörigen der Bürgerwehr ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
Kendall hielt es für sicherer, weder GroÃmutter noch Ricki Sue wissen zu lassen, wo sie sich aufhielt. Deshalb erfuhr sie erst bei einem Routineanruf vom Tod Elvie Hancocks.
»Es tut mir so leid, Kendall.« Ricki Sue weinte, als sie ihr die traurige Nachricht übermittelte. »Es bricht mir das Herz, dir das am Telefon sagen zu müssen.«
»War sie allein?«
»Ja. Ich wollte an jenem Morgen nach ihr sehen, aber sie öffnete nicht. Da fand ich sie in ihrem Bett.«
»Dann ist sie also im Schlaf gestorben. Das ist ein Segen.«
»Was soll ich mit dem Haus machen?«
»Gib ihre Kleider an jemanden weiter, der sie brauchen kann. Steck all ihre persönlichen Sachen und die Wertgegenstände in ein BankschlieÃfach. Laà sonst alles so, wie es ist, und schlieÃ
das Haus gut ab. Die laufenden Rechnungen kannst du übergangsweise von ihrem Bankkonto bezahlen.« GroÃmuter hatte Ricki Sue eine Vollmacht über ihr Konto gegeben, als Kendall nach Prosper gezogen war.
Die Enkelin konnte ihren Schmerz mit niemandem teilen, deshalb litt sie allein vor sich hin.
Sie arbeitete bis zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, dann richtete sie das winzige Apartment für das Baby her. Eines Morgens bekam sie in aller Frühe Wehen und rief vom Telefon ihrer Vermieterin aus ein Taxi, das sie ins Krankenhaus brachte.
Am selben Nachmittag kam ihr Baby zur Welt. Es war ein gesunder, kräftiger Junge mit einem Gewicht von 3710 Gramm, und er hieà Kevin Grant, nach ihrem Vater und GroÃvater. Sie freute sich so über das Kind, daà sie ihre Freude einfach nicht für sich behalten konnte. Sie muÃte sie mit jemandem teilen.
»Ein Baby!« kreischte Ricki Sue. Sosehr sie sich über die Geburt von Kendalls Sohn freute, so entrüstet war sie gleichermaÃen, daà Kendall ihr nichts von der Schwangerschaft erzählt hatte.
»Kannst du nicht endlich heimkommen? Mein Gott, wie lange willst du dich denn noch verstecken? Du hast doch nichts getan, um Himmels willen!«
Es beunruhigte Kendall zutiefst, daà niemand aus Prosper versucht hatte, über Ricki Sue oder ihre GroÃmutter Verbindung mit ihr aufzunehmen. Offenbar hatte Gibb ihre plötzliche Abwesenheit irgendwie vom Tisch gewischt; aber warum wollte er keine Vergeltung? Daà niemand sie aufzuspüren versucht hatte, stimmte sie miÃtrauischer, als wenn man die Menschen terrorisiert hätte, die ihr nahestanden.
Oder vielleicht wuÃten sie ja, wo sie steckte, und warteten nur den geeigneten Zeitpunkt ab, um dann zuzuschlagen?
Weil keinesweges auszuschlieÃen war, daà sie plötzlich vor Kendalls Tür auftauchten, tat sie nichts, was Aufmerksamkeit auf sie gelenkt hätte.
Sie begann sich langsam an den Gedanken zu gewöhnen, ihr ganzes Leben auf der Flucht zu verbringen. Sie würde unter einem falschen Namen leben, ihre Karriere als Anwältin aufgeben und Kevin und sich mit einfachen Gelegenheitsjobs über Wasser halten müssen.
Nie mehr würde sie einen verantwortungsvollen Beruf ergreifen können, nie wieder heiraten. Ricki
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