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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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er sie so ansah wie gerade jetzt? Wenn er so wie jetzt seine Hand auf ihre Wange legte und ihr einen langen, innigen Kuß raubte?
    Um nicht laut zu schluchzen, packte Kendall ihn am Haar und küßte ihn mit einer Verzweiflung, aus der ihre ganze Liebe und Angst sprachen. Ohne daß das Baby aufgehört hätte zu nuckeln, zog er sie und Kevin in seine Arme und hielt sie fest. Sie wünschte sich, dieser traute Augenblick möge nie vergehen.
    Was unmöglich war... Sie mußte weiterziehen.
    Aber nicht in dieser Nacht.

33. Kapitel
    Â»Was soll nur aus uns werden, Matt? Wie wird das alles enden?«
    Er strich mit der Hand über Lotties Hüfte. »Mach dir keine Sorgen. Daddy wird alles regeln.«
    Sie rollte von ihm weg und setzte sich auf. »Natürlich mache ich mir Sorgen, Matt. Ich habe gegen das Gesetz verstoßen. Ich bin auf der Flucht.«
    Â»Dad hat sich das alles genau überlegt.«
    Sie fuhr sich mit der Hand durch das rotbraune Haar und lachte freudlos. »Dein Daddy ist wahnsinnig, Matt. Begreifst du das nicht?«
    Â»Psst! Er wird dich hören.«
    Er warf einen nervösen Blick auf die Wand, die Gibbs Motelzimmer von jenem trennte, in dem er und Lottie lagen. Es war eine armselige Absteige, eine Aneinanderreihung schäbiger Zimmer mit dünnen Wänden und abgewetztem Teppichboden, ein Ort, an dem sich heimliche Liebespaare auf ein Schäferstünschen treffen mochten, wenn sie sich nichts Besseres leisten konnten.
    Matt betrachtete sich und Lottie nicht als heimliches Liebespaar. Bei ihnen erfüllte sich eine Liebe, die schon erwacht war, als ihre Hormone noch verrückt gespielt hatten. Damals wäre es ihm nicht im Traum eingefallen, daß das Mädchen, nach dem er sich verzehrte, jene Frau werden würde, die er sein Leben lang lieben sollte.
    Vor zwei Tagen hatte Matt Burnwood die Liste von Verbrechen, deren er angeklagt – und auch schuldig – war, um einen Gefängnisausbruch erweitert, aber trotzdem war er noch nie so
glücklich gewesen: endlich er und Lottie vereint, in aller Öffentlichkeit, mit Billigung seines Vaters.
    Er wußte, daß sie und wahrscheinlich jeder andere ihn für naiv hielten, weil er seinem Vater so rückhaltlos vertraute. Unerschütterlich war er davon überzeugt, daß Gibb die Sache wieder ins Lot bringen würde. Gibb hatte gesagt, er würde sich um alles kümmern, und er brach sein Wort nie, auch irrte er sich nie. Solange Matt sich erinnern konnte, hatte sein Vater immer recht behalten. Er war der Inbegriff des wahren amerikanischen Helden.
    Genau wie Opa Burnwood es gewesen war. Matt hatte seinen Großvater nicht gekannt, doch er wußte alles über ihn. Gibb hatte ihm von Opas unvergleichlichen Kampfkünsten erzählt. Tatsächlich wußte Gibb bis ins letzte Detail, welche Torturen sein Vater im Südpazifik hatte durchstehen müssen und wie er gegen jede Wahrscheinlichkeit überlebt hatte.
    Genau wie Gibb glaubte, daß sein Vater über jeden Tadel erhaben war, vertraute Matt seinem Vater aus tiefstem Herzen. Er hatte ihn noch nie fehlgeleitet.
    Gut, vielleicht hatte er Kendall falsch eingeschätzt, Gibb hatte ihn gedrängt, sie zu heiraten. Er meinte, Kendall wäre die perfekte Tarnung für die Aktivitäten der Bruderschaft. Durch sie hätten sie leichter Zugriff auf jene Individuen, die, wenn man sie nicht ausrottete, das Fundament untergraben würden, auf dem Amerika ruhte.
    Theoretisch war es ein Geniestreich gewesen, die Pflichtverteidigerin zu heiraten, die sie aber irrtümlich für korrumpierbar gehalten und dabei Kendalls Unabhängigkeitssinn unterschätzt hatten. Sie war bei weitem nicht so nachgiebig, wie sie erwartet oder gehofft hatten, aber das war ihr Fehler, nicht Gibbs.
    Matt mußte einräumen, daß man seinen Vater leicht mißverstehen konnte. Er war besessen von dem Drang, alles unter
Kontrolle zu behalten. Wenn er übergangen wurde, hatte er das Gedächtnis eines Elefanten; er vergaß oder vergab nie. Sobald jemand einmal gegen ihn Widerstand leistete, betrachtete ihn Gibb als Feind. Er war mitunter dogmatisch und unbelehrbar, wenn er im Recht zu sein meinte. Und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann verfolgte er sein Ziel mit einer Sturheit, die weit über normale Beharrlichkeit hinausging.
    Matt empfand diese Charakterzüge als Tugenden, nicht als Fehler. Es kam auf den Blickwinkel an.

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