Die Zeugin
Konferenzraum wurde selten benutzt und wirkte so fröhlich wie ein Mausoleum. Es herrschte die Temperatur der Vorratskammer einer Fleischerei. Aus Goldrahmen starrten sie finstere Porträts längst vergangener Teilhaber an. Die abweisenden Mienen wirkten überheblich und äuÃerst miÃbilligend.
Einen kurzen Moment hatte sie gute Lust, den alten Knackern die Zunge rauszustrecken, aber sie hielt sich zurück.
Den Chefs von Bristol und Mathers war es durchaus zuzutrauen, daà sie ihre Angestellten mit versteckten Kameras überwachten. SchlieÃlich hatten sie auch Kendall erwischt.
Ricki Sue hätte das nicht mal unter Folter zugegeben, aber sie war nervös. Mehrmals schon hatten FBI-Agenten sie verhört,
öfter als jeden anderen in der Firma. Offensichtlich war ihre Freundschaft mit Mrs. Burnwood bekannt.
Natürlich hatte sie ihnen nichts erzählt. Und sie würde sich weiterhin dumm stellen, selbst wenn man ihr BambusspreiÃel unter die Fingernägel trieb.
Plötzlich flog die Tür auf, und ein Mann marschierte herein, gefolgt von zwei weiteren Beamten. Alle drei trugen dunkle Anzüge und weiÃe Hemden, aber es stand auÃer Frage, wer von ihnen das Sagen hatte. Sein Auftreten war, wie sein Gang, geradeheraus und direkt.
»Mià Robb? Ich bin Sonderbeauftragter Pepperdyne.«
Er stellte ihr seine Begleiter vor, aber Ricki Sue war von Pepperdynes autoritärer Ausstrahlung so gefesselt, daà sie an seine Adjutanten kaum einen Blick verschwendete. AuÃerdem kannte sie die beiden bereits, von ihnen war sie letztes Mal verhört worden.
Offenbar hatte sie es heute mit dem Obermops persönlich zu tun. Pepperdyne. Er war irgendwie süà und verstand es jedenfalls, seinen Auftritt in Szene zu setzen. Sie wünschte, der alte Bristol hätte ihr Zeit gelassen, sich die Frisur zu richten und den Lippenstift nachzuziehen.
Pepperdyne redete nicht lange um den heiÃen Brei herum: »Ich habe wenig Zeit, Mià Robb, lassen Sie uns also gleich zum Kern der Sache kommen.«
Er setzte sich auf die Ecke des Konferenztisches und lieà einen schweren Schnellhefter auf die blankpolierte Platte fallen. Ein paar Dokumente rutschten heraus, aber Ricki Sue brauchte sie nicht zu lesen, um zu wissen, worum es ging.
»Als wir unseren Computer das erste Mal nach Kendall Deatons Vergangenheit abfragten, kam ein ganz schönes Kuddelmuddel heraus. Wir haben eine Weile gebraucht, um uns da durchzuarbeiten. Jetzt wissen wir alles.«
»Ach, wirklich?«
»In der Tat.« Er überflog einige der Dokumente, obwohl er vermutlich ebensogut wuÃte wie sie, was darin stand. »Veruntreuung von Beweismaterial ist eine ziemlich schwerwiegende Anschuldigung für einen Anwalt.«
»Die Anschuldigung wurde nie bewiesen«, entgegnete Ricki Sue. »Und gilt man in Amerika nicht so lange als unschuldig, wie die Schuld nicht bewiesen ist?«
Seine Faust donnerte auf den Tisch, und ein erotischer Schauer überlief sie. Sie hätte diesen Burschen gern mal im Bett erlebt, wenn er wirklich aufdrehte.
»Diese Mappe ist zum Bersten voll mit Berichten über Lügen, Vertuschungen und weitergegebene vertrauliche Informationen. Ins Detail brauche ich wohl nicht zu gehen, denn Sie wissen das ohnehin alles, nicht wahr?«
»Wieso wollten Sie mich dann allein sprechen?« Ihre Stimme senkte sich verführerisch. »Oder soll dieses Treffen gar nicht beruflich sein?«
Die beiden anderen Agenten kicherten, doch Pepperdyne lieà sich nicht aus dem Konzept bringen. Er brachte seine Untergebenen mit einem scharfen Blick zum Schweigen und fixierte dann wieder Ricki Sue.
»Ihnen fehlt offenbar der nötige Ernst, Mià Robb. Während Sie hier Witze reiÃen und unerhörte Anspielungen äuÃern, schwebt Mrs. Burnwood in gröÃter Gefahr. Ein Bundesbeamter wird vermiÃt, und sie ist offenbar die einzige Person auf diesem Planeten, die wissen könnte, wo er steckt. Ich will sie alle beide, und Sie werden mir dabei helfen.«
»Warum sollte ich?« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung zu der Akte hin. »Wenn Sie doch sowieso alles zu wissen glauben â warum sollte ich Ihnen helfen?«
»Weil Sie ausgesagt haben, Mrs. Burnwoods Freundin zu
sein, und weil ich allen Grund zu der Befürchtung habe, daà sie nicht mehr lange leben wird.«
Sie sprach die beiden anderen Agenten an. »Sie können gerne die
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