Die Zeugin
als er den Hörer abhob. Dann merkte er, daà die Leitung tot war. Er drückte ein paarmal auf die Gabel, in der Hoffnung, daà das Telefon wie die Wasserleitung vielleicht bloà eingerostet war. Doch nichts tat sich, und jetzt vergeudete er seine Zeit.
Mit Kevin in dem Tragetuch vor der Brust, zog John die Eingangstür fest hinter sich zu. »Tut mir leid wegen der Scheibe«, entschuldigte er sich bei den abwesenden Besitzern, während er sich die Stufen hinunterlieà und die Krücke aufhob, die er auf der Veranda hatte liegenlassen.
Wenigstens ging es auf dem Rückweg bergab, aber die Hitze war lähmend, und seine Muskeln, die gewöhnlich jede Woche durch zwei oder drei ausgiebige Besuche im FitneÃzentrum auf Trab gehalten wurden, fühlten sich an wie mit Nadeln gespicktes Gelee.
Als er den Briefkasten am Anfang der Auffahrt erreichte,
lehnte er sich erschöpft dagegen und sog Luft in seine brennende Lunge. Der Metallbehälter glühte und brannte nach ein paar Sekunden ein Mal auf seinen Oberarm.
Leg eine Nachricht in den Briefkasten, du Trottel!
Die Eingebung wog alle Schmerzen auf. Er konnte heute abend eine Nachricht schreiben, sich rausschleichen und sie zum Postkasten bringen. Am besten adressierte er sie an den Briefträger und bäte ihn, die Polizei zu informieren. AuÃerdem würde er die Telefonnummer seines Büros und die von Pepperdyne draufschreiben, falls der Postbote den Brief für einen Lausbubenstreich hielt und die Sache erst überprüfen wollte. Dann würde er die rote Fahne hochstellen, die dem Briefträger anzeigte, daà etwas mitzunehmen war. Mit ein biÃchen Glück würde der gute Mann sie morgen bemerken und anhalten. Vielleicht könnte er ihn ja sogar persönlich abfangen.
Der Plan weckte neue Energie in John. Die letzte Strecke zum Haus legte er in doppeltem Tempo zurück. Trotzdem hörte er, als er die Veranda erreicht hatte, in der Ferne Räder knirschen.
Er lieà eine Krücke im Wohnzimmer fallen und humpelte über den Flur ins Bad. Rasch drehte er den Türknauf von innen zu und lehnte sich mit dem Kopf dagegen. Seine Muskeln im ganzen Körper tobten auf, sein Atem rasselte wie eine Dreschmaschine. Hemd und Hose waren klitschnaÃ, er stank.
Wenn Kendall ihn so sah, würde sie sofort merken, daà da etwas im Busch war.
Obwohl er vor Erschöpfung zitterte, hob er Kevin aus dem Tragetuch und legte ihn auf die Badematte am Boden. »Du steckst genauso mit drin!« Er drückte den Stöpsel in den Abfluà und drehte das Wasser auf.
Er hörte ihre Schritte auf der Veranda.
»John?«
Panisch strampelte er sich aus seinen Kleidern, stopfte seine
verschwitzten Sachen in den Wäschesack und nahm sich dann Kevin vor.
»John?«
»Ja?«
Bis auf die Windel war Kevin nackt.
»Wo steckst du?«
»Kendall?« Weg mit der Windel! »Bist du schon wieder zurück?«
John hängte das Gipsbein über den Wannenrand und lieà sich vorsichtig ins Wasser sinken. Es war nicht einfach, aber schlieÃlich schaffte er es, sich so weit vorzubeugen, daà er den Kopf unter den Hahn hängen und sein Haar naà machen konnte. Dann fischte er das nackte Baby vom Badezimmerboden auf.
»Du bist ein echter Kumpel«, flüsterte er, während er sich zurücksinken lieà und das Baby auf seine Brust bettete. »Das Tuch kriegen wir auch noch weg.«
»John, was treibst du denn? Wo ist Kevin?«
»Was? Ich kann dich nicht verstehen, Kendall. Das Wasser rauscht so.«
»Wo ist Kevin?«
»Hier bei mir.« Er lieà Wasser über das Baby laufen, das vor Freude jauchzte und mit den Händchen auf Johns Brust patschte.
»Bei dir?«
»Natürlich. Was glaubst du denn?«
Sie drehte am Türknauf. »Du hast die Tür abgeschlossen.«
»Oh, ganz aus Gewohnheit«, log er.
»Mach auf.«
»Ich liege schon in der Wanne. Und es ist verdammt kompliziert, mit diesem Gips rauszusteigen.«
»Dann komme ich rein.«
Das hatte er nicht anders erwartet. Die Panik in ihrer Stimme
hörte er genau. Vielleicht waren sie inzwischen ein Liebespaar, aber das hieà nicht, daà sie ihm vertraute.
Kluges Mädchen.
Hätte er heute die Möglichkeit dazu gehabt, hätte er sie verpfiffen. Hätte jemand in dem Haus gewohnt, hätte das Telefon funktioniert, hätte er einen Wagen anhalten können... wären jetzt
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