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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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hoch, bis sie halbwegs aufrecht saß. Das Zimmer drehte sich, und sie legte die Hand an die Wange, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Mit jener majestätischen Würde, zu der heillos Betrunkene unnachahmlich
fähig sind, sagte sie: »Immer langsam, Jungs. Von hier an nur noch mit Gummi.«
    Während die Zwillinge die verpackten Kondome aufzureißen begannen, die sie aus ihrer Handtasche gezaubert hatte, lagerte Ricki Sue am wackligen Kopfende des Bettes und stellte sich vor, wie sich morgen früh alle an der Kaffeemaschine um sie drängen würden. Denen könnte sie vielleicht was erzählen!

41. Kapitel
    Matt fuhr, bis Gibb ihn anwies, auf einem Parkplatz am Straßenrand zu halten. Gibb war der Meinung, daß sie inzwischen weit genug entfernt waren, um ohne Bedenken pausieren zu können. Die ganze Zeit hatten sie sich streng an alle Verkehrsregeln und an die vorgeschriebene Geschwindigkeit gehalten.
    Gibb wollte endlich wissen, ob sie in der Schuhschachtel, die sie unter Ricki Sues Bett hervorgezogen hatten, etwas Aufschlußreiches fänden. Er leerte die Karten und Briefe auf die Sitzfläche zwischen ihnen. Sie teilten den Haufen in zwei Hälften und begannen zu lesen.
    Es stellte sich bald heraus, daß Ricki Sue jedes Schriftstück aufbewahrt hatte, daß ihr je ein Mann geschickt hatte. Die Lektüre wurde ermüdend, Matt begann sich zu langweilen.
    Â»Da finden wir sowieso nichts.«
    Â»Wir müssen jeden einzelnen Brief überprüfen«, widersprach sein Vater eigensinnig. »Vielleicht bringt uns irgendeiner davon weiter.«
    Unter den verblaßten Briefen ehemaliger Liebhaber fand sich eine krakelige, in Blockschrift abgefaßte Nachricht von einem Mitschüler aus der Grundschule mit Namen Jeff, der Ricki Sue fragte, ob sie ihm ihr Höschen zeigen würde. Ein weiterer, langatmiger, launiger Brief stammte von ihrem Cousin Joe, der seinem Vaterland auf dem Flugzeugträger John F. Kennedy gedient hatte und der ihr versprach, ihre Adresse an seine einsamen Mitmatrosen weiterzugeben. Sie stießen auf eine Postkarte von ihrem Lehrer in der Sonntagsschule, Mr. Howard, der ihr mitteilte, daß er sie am vergangenen Sonntag vermißt habe.

    Dann zog Matt eine Postkarte aus dem Haufen, deren Handschrift er augenblicklich wiedererkannte. »Die hier ist von Kendall.«
    Er stellte das ohne jede Begeisterung fest. Seit einiger Zeit befand er sich auf Fernsteuerung und schien nicht in der Lage, das Ruder wieder zu übernehmen. Es war einfacher, nur das zu tun, was man ihm befahl. Die Willenlosigkeit dämpfte den Schmerz ein wenig.
    So ging es ihm seit Lotties Tod.
    Er hatte das Gefühl, selbst dabei gestorben zu sein. Noch einmal einen Leitartikel zu schreiben, noch eine Ausgabe seiner Zeitung herauszubringen konnte er sich einfach nicht vorstellen, genausowenig, wie jemals wieder Freude zu empfinden – am Essen, Trinken, Jagen, der Bruderschaft, dem Leben überhaupt. Lotties Tod hatte eine Lücke gerissen, die nie wieder geschlossen werden konnte. Dad hatte ihm prophezeit, daß sich seine Gefühle ändern würden, sobald er seinen Sohn gefunden hätte, aber das erschien Matt unvorstellbar.
    Natürlich hatte es ihm auch damals fast das Herz gebrochen, als er und Lottie noch jung gewesen waren und sein Vater ihm untersagte, sie je wiederzusehen; aber damals hatte er immer noch den winzigen Hoffnungsschimmer im Herzen bewahrt, daß sie eines Tages doch einen Weg zueinander finden würden. An diese Hoffnung hatte er sich geklammert, sie hatte ihn aufrechtgehalten, wenn er meinte, vor Sehnsucht nach ihr zu vergehen.
    Jetzt, nachdem sie ihm endgültig genommen war, hielt die Zukunft nichts mehr für ihn bereit. Sein Vater hatte ihn mit der Erklärung trösten wollen, ihre wahre Belohnung würde sie im Himmel erwarten, aber für Matt war Lottie der Himmel gewesen. Er war unschlüssig, ob er alt werden wollte, da das bedeutete, alt zu werden ohne Lottie.

    Kendall hatte Lotties Tod herbeigeführt, wie sein Vater ihm unermüdlich erklärte. Wenn Kendall ihre Nase nicht in Sachen gesteckt hätte, die sie nichts angingen, wenn sie sich in ihre Bestimmung gefügt hätte und ihm eine willige gehorsame Gemahlin gewesen wäre, dann wäre all das nicht passiert. Lottie lebte noch und würde auf ihn warten, mit ihrem Lächeln, ihren Küssen und ihren Umarmungen, die sein Glück waren.
    Immer

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