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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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wenn er daran dachte, was er verloren hatte, erstickte er fast an seinem Haß auf Kendall. Sie würde dafür bezahlen, dafür würde er sorgen. Genau wie all die anderen, die von der Bruderschaft zur Rechenschaft gezogen worden waren, hatte sich Kendall ihr Urteil selbst zuzuschreiben.
    Er starrte auf die Postkarte, und er ekelte sich davor, weil sie von ihr war. »Ich erkenne ihre Handschrift.«
    Â»Von wann ist sie?«
    Matt hielt sie unter das Leselicht im Auto. »Die Briefmarke ist verschmiert, sieht aber alt aus. Der Rand ist schon ganz vergilbt.«
    Â»Lies sie trotzdem.«
    Â»â€ºAbgesehen von der Hitze und den Moskitos verbringen wir hier ein paar wundervolle Wochen. Gestern haben G und ich an unserem Lieblingsplatz gepicknickt.‹«
    Â»G steht bestimmt für Großmutter«, vermutete Gibb. »Noch was?«
    Â»Ihr ging der Platz aus. Den Rest hat sie reingekrakelt.« Matt beugte sich über die winzigen Buchstaben. ›Ich habe dir davon erzählt, CSA-Kanone, Wasserfall usw. Bis bald.‹ Das ist alles. Sie hat ein kleines Herzchen gezeichnet, statt zu unterschreiben.«
    Â»CSA? Wie Confederate States Army? Auf ihrem Lieblingsplatz steht also eine Kanone der ehemaligen Südstaatenarmee. Hat sie dir je von diesem Fleck erzählt?«

    Matt kramte in seinem Gedächtnis, doch die Erinnerung an Lotties leblose Augen blendete alles andere aus. »Vielleicht. Ich glaube schon. Sie hat mir erzählt, daß sie und ihre Großmutter den Sommer immer in einem alten Farmhaus verbracht haben.«
    Â»Ein altes Farmhaus in der Nähe einer Konföderiertenkanone und eines Wasserfalls.« Aufgeregt klappte Gibb das Handschuhfach auf, holte die Straßenkarte von Tennessee heraus und breitete sie sich über den Schoß.
    Â»Was weißt du über die Tiere, Matthew?« fragte er. »Was tut ein Tier, wenn es verwundet oder verängstigt ist? Wohin verkriecht es sich?«
    Â»In seinen Bau.«
    Â»Mit anderen Worten, daheim«, bestätigte Gibb. »Kendall ist nicht heimgeflüchtet. Das konnte sie nicht. Also hat sie vielleicht das zweitbeste Versteck aufgesucht. Es muß irgendwo einen Wasserfall in der Nähe einer Gedenkstätte aus dem Bürgerkrieg geben.«
    Seine Augen glänzten. »Stell dir nur vor, mein Sohn, schon morgen früh könntest du deinen kleinen Sohn in den Armen halten.«
    Matt lenkte seine Gedanken auf dieses Bild. Er versuchte, sich vorzustellen, wie er seinen Sohn auf den Knien reiten ließ – sich auszumalen, wie er lachen und sich fröhlich und frei fühlen würde. Frei? Ja, das müßte es sein: In seinem ganzen Leben hatte er sich nie frei gefühlt.
    Und noch nie so eingekerkert wie jetzt.
    Â 
    Kendall entzog sich Johns Umarmung. Er murmelte eine unverständliche Frage.
    Â»Ich muß mal«, flüsterte sie. »Bin gleich wieder da.«
    Er versank wieder in Schlaf. Sie beugte sich vor, küßte ihn
auf die Stirn, blieb dann stehen und betrachtete sein Gesicht, um es sich in allen Einzelheiten einzuprägen.
    Wenn alles glatt ging, würde sie ihn nie wiedersehen.
    Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Sie schluckte schwer, schlüpfte aus dem Bett und zog sich leise und behende im Dunkeln an.
    Von dem Moment an, als Ricki Sue ihr von Matts und Gibbs Flucht aus dem Gefängnis erzählt hatte, war Kendall klar gewesen, daß sie fliehen mußte. Sie durfte keine Zeit verlieren. Sie hatte schon zu lange gezögert. Obwohl sie das einen wertvollen Vorsprung gekostet hatte, hatte sie sich eine letzte Nacht mit John zugestanden.
    Matt und Gibb würden sie aufspüren. Ganz bestimmt. Sie traute ihrem Jagdinstinkt wesentlich mehr zu, als dem FBI mit seinen Hochleistungscomputern und seiner Armee von Ermittlern.
    Wäre es nur um ihr eigenes Leben gegangen, hätte sie es riskiert, bei John zu bleiben. Aber da war schließlich Kevin. Falls die Burnwoods sie fanden, würden sie sie umbringen und ihn mitnehmen. Die Vorstellung war zu grauenvoll, um sie auch nur zu denken. Selbst wenn man Gibb und Matt irgendwann verhaften würde, wäre Kevin eine Waise, über dessen Zukunft ein Komitee von Fremden zu entscheiden hätte.
    Sie mußte ihr Kind beschützen, selbst wenn das die Trennung von dem Mann bedeutete, den sie liebte. Sie würde ihn ohne eine Erklärung, ohne ein Wort des Abschieds verlassen. Wenn er morgen früh entdeckte,

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