Die Zeugin
daà sie verschwunden war, würde er die Welt nicht mehr verstehen und sie auf ewig hassen. Aber das würde vergehen.
Sie schrieb ihm eine Nachricht, in der sie ihm versicherte, daà Hilfe unterwegs sei. Bevor sie am Nachmittag aus der Stadt zurückgekehrt war, hatte sie eine Postkarte an die Polizei abgeschickt,
auf der stand, wo man den vermiÃten US-Marshal John McGrath finden würde.
Sobald morgen früh die Post ausgetragen war, würde man jemanden zur Farm hinausschicken. Johns Freund Jim Pepperdyne würde ihm die beste neurologische Behandlung angedeihen lassen. Irgendwann kehrte sein Gedächtnis zurück. Es brach ihr das Herz, daà er sich dann vielleicht nicht mehr an die idyllische Zeit erinnern würde, die sie gemeinsam durchlebt hatten.
So traurig sie der Gedanke auch stimmte, sie wuÃte doch, daà es das beste war, wenn er alles wieder vergaÃ. Niemand konnte ihn für das verantwortlich machen, was zwischen ihnen vorgefallen war â weder seine Vorgesetzten noch er selbst.
Lautlos trat sie in Kevins Zimmer und holte die Tasche, in die sie seine Kleidung, Windeln und ein paar notwendige Utensilien gepackt hatte. Sie wollte sich nicht mit überflüssigem Gepäck belasten.
Kevin lieà sie vorerst in seinem Ställchen liegen. Ein Blick ins Schlafzimmer verriet ihr, daà John immer noch in tiefem Schlummer lag. Sie schlich durchs Haus und verschwand durch die Hintertür.
Es waren noch Stunden bis zum Morgengrauen, doch jetzt zählte jede Minute. Sie legte die Tasche ins Auto. Vor einer Weile hatte sie etwas Farbe im Schuppen hinter dem Haus gefunden und die zwei Dreier auf dem Nummernschild in Achter verwandelt. Bei kritischer Betrachtung fiel die Korrektur natürlich auf, doch vielleicht wurde sie auf diese Weise nicht aufgehalten, bis sie den Wagen abgestoÃen und einen neuen erworben hatte.
Sie kehrte ins Haus zurück und trat in die Speisekammer, wo sie bereits einige Tüten mit Konserven und Wasserflaschen bereitgestellt hatte. So konnte sie im Fahren essen und trinken
und brauchte nur anzuhalten, wenn sie Kevin stillen oder auf die Toilette muÃte. Sie würde in abgelegenen Motels nächtigen, wo sie mit Barzahlung keinen Verdacht erregte.
Wenn sie mehr Geld brauchte, würde sie sich wie schon öfter mit Ricki Sue in Verbindung setzen. Sie vertraute Ricki Sue voll und ganz, doch um ihre Freundin zu schützen, wollte Kendall den Anruf so lange wie irgend möglich hinauszögern.
Nachdem sie den Proviant im Auto verstaut hatte, kehrte sie ein letztes Mal ins Haus zurück und verschwand im Wohnzimmer. Sie kniete vor dem Kamin nieder, langte in den Abzug und zog die Pistole heraus.
Die Waffe war ihr einziger wirklicher Schutz, falls Matt und Gibb sie finden sollten, trotzdem faÃte sie sie nur äuÃerst ungern an. Ãbervorsichtig schob sie die Pistole in die Rocktasche.
Dann kam ihr ein beunruhigender Gedanken. Was war, wenn die Burnwoods dieses Versteck aufspürten, ehe John gerettet werden konnte? Bestimmt wuÃten sie, daà er der Marshal war, den sie aus dem Krankenhaus in Stephensville »entführt« hatte. Sie würden ihn ohne den geringsten Vorbehalt erschieÃen.
Daher holte sie die Waffe wieder aus der Tasche und brachte sie in die Küche. Sie legte den Brief mit ihrer Nachricht auf den Tisch unter die Pistole. Wie passend, daà sie ihm als letztes zurückgab, was sie ihm als erstes weggenommen hatte, während er bewuÃtlos auf der regendurchtränkten Erde lag.
Wieviel war seitdem geschehen!
Sie hielt mühsam die Tränen zurück, während sie auf Zehenspitzen in Kevins Zimmer schlich und ihn aus seinem Ställchen hob. Er krähte empört, schlief aber sofort wieder ein, als sie ihn an ihre Schulter legte.
Einen letzten Blick genehmigte sie sich in das dunkle Schlafzimmer; John hatte sich nicht gerührt. Eilig schlich sie über den
Flur und durch die Küche. Obwohl sie sich verboten hatte zu weinen, stahl sich eine Träne über ihre Wange.
Dies waren die letzten Sekunden in ihrem Haus, wo so viele schöne Erinnerungen wohnten. Nachdem das Versteck erst einmal entdeckt war, würde sie hier nie wieder untertauchen können, diese Zimmer betreten, in denen sie noch GroÃmutters Lachen zu hören glaubte. Hier hatte sie erst von Elvie Hancock, dann mit John gelernt, was lieben heiÃt.
Wieso muÃte sie immer alles verlieren, was ihr teuer
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