Die Zeugin
Vielleicht habe ich mein Gedächtnis verloren, aber ich bin kein Vollidiot, also behandle mich nicht wie einen.« Er hielt ihr Kinn immer noch fest und zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. »Du bist auf der Flucht, richtig? Vor wem? Will dir jemand was antun? Oder deinem Baby?« Sein Blick fiel auf das Ställchen, in dem Kevin schlief. »Unserem Baby ?«
»Niemand wird uns etwas antun, solange wir zusammen
sind.« Das war nicht nur so dahingesagt. Irgendwie spürte sie, daà er sie, obwohl er ihr miÃtraute und trotz seiner unerklärlichen Abneigung Kevin gegenüber, bis zum letzten Atemzug verteidigen würde. Daher könnte es schwer werden, ihn zu verlassen.
Sie war nicht so dumm, sich auf den Schutz eines anderen Menschen zu verlassen. Sie kam durchaus allein zurecht, war schlieÃlich lange genug mit allem fertiggeworden. Dennoch fühlte sie sich in seiner Gegenwart geborgen, obwohl dieses Sicherheitsgefühl in Anbetracht seiner körperlichen Verfassung wahrscheinlich trog. Es konnte sie teuer â schrecklich teuer â zu stehen kommen, wenn sie sich davon einlullen lieÃ.
Sie löste sich aus seinem Griff. »Ich gehe jetzt baden. Sag mir Bescheid, wenn Kevin mich braucht.« Diesmal hielt er sie nicht zurück.
Sie füllte die altmodische Wanne bis zum Rand und lieà sich in das warme, tröstliche Wasser sinken. Als sie eine Viertelstunde später wieder zu ihm ins Wohnzimmer kam, trug sie nichts als ein Handtuch, das sie von den Achseln bis zu den Schenkeln umhüllte. Das nasse Haar hatte sie sich aus dem saubergeschrubbten Gesicht gekämmt.
Er stand an der offenen Haustür, mit dem Rücken zu ihr, und starrte in die Dunkelheit, in den ewig gleichen Regen. Als er ihre nackten FüÃe auf dem Holzboden hörte, drehte er sich um.
»Ich bin fertig«, erklärte sie unnötigerweise.
Als sie ins Schlafzimmer gehen wollte, sagte er: »Warte.« Er kam durch das Zimmer gehumpelt und blieb viel zu dicht vor ihr stehen.
Kendall zuckte zusammen, als er seine Hand auf ihre Brust legte. Er zog fragend die Brauen hoch, zögerte und legte dann einen Finger auf ihre feuchte Haut. »Tut das weh?«
Sie verstand erst, als sie seinem Blick folgte und den häÃlichen
blauen Bluterguà sah, der vom Hals aus in einem breiten diagonalen Streifen über ihre Brust verlief.
»Der Sicherheitsgurt«, erklärte sie. »Kein schöner Anblick, wie? Aber wenn ich mich nicht angeschnallt hätte, würde ich noch viel gräÃlicher aussehen.«
Er lächelte flüchtig, bedauernd. »Stimmt. Dann würdest du aussehen wie ich.«
»So schlecht siehst du gar nicht aus.« Ihre Blicke trafen sich; einen Moment sahen sie sich schweigend an. Dann muÃte Kendall schlucken. »Ich meine damit, daà die Schwellung in deinem Gesicht schon einigermaÃen zurückgegangen ist.«
Er nickte gedankenverloren, weil ihn bereits wieder der blaue Fleck über ihrer Brust beschäftigte. »Wie weit runter geht er?«
Plötzlich überflutete Hitze ihren ganzen Leib. Sie war verlegen, und als seine Frau hatte sie keinerlei Grund dazu. Sie sah ihm fest in die Augen, legte die Hände an den Knoten zwischen ihren Brüsten und öffnete langsam das Handtuch. Sie schlug beide Enden zurück, hielt sie von ihrem Körper weg und gestattete ihm einen ungehinderten Blick.
Noch nie hatte sie sich so nackt, so bloÃgestellt gefühlt. Seine Augen wanderten über ihren Körper, begutachteten nicht nur den auffallenden BluterguÃ, sondern schienen sich jede Wölbung, jede Kurve, jeden Zentimeter ihrer Haut einzuverleiben. Sie ertrug seinen Blick so standhaft wie möglich, doch als sie das Handtuch wieder schlieÃen wollte, hielt er sie zurück.
»Was ist das?«
Er berührte sie weit unterhalb des Nabels. Ihr Körper reagierte so prompt und so sinnlich auf seine Berührung, daà ihr der Atem stockte. Ihr Bauch bebte, aber sie zuckte nicht zurück, als seine Finger sacht die dünne, rosa Narbe entlangfuhren,
die quer über ihrem Schamhaar verlief. Er zeichnete sie von einem Ende zum anderen nach und nahm seine Hand auch danach nicht weg.
»Die Narbe von meinem Kaiserschnitt«, hauchte sie auÃer Atem.
»Hmm. Warum zitterst du?«
»Weil sie immer noch empfindlich ist. Vor allem seit dem Unfall.« Tatsächlich hatte der Beckengurt über ihrem Schoà einen
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