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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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bewegen oder auch nur zu atmen, weil sie auf keinen Fall das empfindliche Gleichgewicht stören wollte, das momentan zu herrschen schien.
    Mein Gott, worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Ursprünglich hatte der Plan, ihn als ihren Ehemann auszugeben, so elegant und unkompliziert ausgesehen. Im Krankenhaus hatte
auch alles geklappt. Allerdings hatte sie nicht vorhergesehen, daß er sich wirklich wie ein Ehemann benehmen und von ihr die Gemahlinnenrolle verlangen würde. Obwohl sie das hätte bedenken müssen, schließlich war er ein waschechter Mann, und sie erzählte ihm ständig, daß sie seine Frau sei. Unter den Umständen, die sie heraufbeschworen hatte, verhielt er sich im Grunde normaler als sie.
    Noch dazu mußte sie sich zu ihrer Verblüffung eingestehen, daß sie es gar nicht so schrecklich fand, seine Frau zu spielen. Sein Gesicht und sein Körper waren zwar vorübergehend lädiert, aber sie hielt es für gewiß, daß sich alle anwesenden Frauen verstohlen nach ihm umdrehten, sobald er einen Raum betrat. Seine distanzierte Art, wohl ein Teil seines herben Charakters, wirkte anziehend wie ein Magnet. Er vergeudete nicht viele Worte. Wie er bei dem Vorfall am Nachmittag mit den Jugendlichen bewiesen hatte, hatte er völlig zu Recht ein unerschütterliches Selbstbewußtsein. Er suchte keinen Streit, aber wenn er tatsächlich in einen verwickelt wurde, drückte er sich nicht.
    Das Grübchen in seinem Kinn war ausgesprochen sexy. Jede Frau hätte sich zu ihm hingezogen gefühlt.
    Sie hatte nicht berücksichtigt, daß sie einander tatsächlich attraktiv finden könnten, als sie angegeben hatte, ein Paar zu sein. Jetzt hatte sich ihre Strategie gegen sie gekehrt. Sie hatte sich selbst in ein Minenfeld manövriert. Ein falscher Schritt, und alles flog auf.
    Sie war versucht, Kevin aus seinem Bettchen zu holen und zum Auto zu rennen, bevor alles noch schlimmer wurde, bevor sie am Ende gar nicht mehr weg wollte.
    Aber ihr Körper brauchte Ruhe. Ihr fehlte einfach die Energie, aus dem Bett zu steigen. Wohin sollte sie auch gehen? Wo war sie so sicher wie hier?

    Erst viel später schlief sie ein, dicht neben ihm, immer noch seinen Kuß auf den Lippen spürend und voller Angst, er könnte morgen früh erwachen und sein Gedächtnis wiedergefunden haben – denn dann hätte sie all diese Plagen völlig umsonst auf sich genommen.

9. Kapitel
    Die Landung des Helikopters löste in Stephensville einigen Wirbel aus.
    Daß er die Aufschrift »FBI« trug, erregte noch mehr Aufsehen. In der Südstaatengemeinde war nichts so Dramatisches mehr vorgefallen, seit sich eine Unterweltgröße von lokalem Renommee im Puff seiner Freundin verschanzt und sich einen wilden und tödlichen Schußwechsel mit einem Einsatzkommando geliefert hatte. Nur die Alten erinnerten sich noch daran.
    Der Sonderbeauftragte Jim Pepperdyne kümmerte sich nicht weiter um die glotzenden Gaffer, als er aus dem Hubschrauber stieg, der auf dem Schulgelände der Realschule aufgesetzt hatte. Einen Rattenschwanz untergebener Mitarbeiter hinter sich herziehend, die rennen mußten, um mit ihm Schritt zu halten, marschierte er über den Sportplatz, den Gehweg hinunter, überquerte die Straße und betrat das Krankenhaus, in dem die Gesuchten zuletzt gesehen worden waren.
    Dem von anderen Beamten bereits ausgiebig verhörten Personal war mitgeteilt worden, daß nun der Chef persönlich im Anmarsch sei. Die Angestellten hatten sich im Wartebereich versammelt, als Pepperdyne Einzug hielt.
    Trotz der stundenlangen, zermürbenden Vernehmungen hatte das Vorauskommando nichts von Bedeutung ermitteln können. Es gab nicht einen einzigen Hinweis darauf, was aus dem Mann, der Frau und ihrem Kind geworden war. Die drei hatten keinerlei Spur hinterlassen, als seien sie im Sack des Weihnachtsmanns verschwunden.
    Jim Pepperdyne glaubte nicht an den Weihnachtsmann. Er
glaubte auch nicht an Außerirdische, die Geiseln in ihren Raumschiffen ins All katapultierten und mit ihnen spazierenflogen. Dagegen glaubte er sehr wohl an das Schlechte im Menschen. Im Laufe seiner Karriere war er wahrlich oft genug damit konfrontiert worden.
    Der Mann mittleren Alters, der jetzt im Sturmschritt auf das Krankenhauspersonal zueilte, war nicht gerade ein Hüne. Seine Taille wirkte weich, und sein Haar lichtete sich in einem äußerst verdrießlichen Tempo.

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