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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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räumte sie ein, daß sie sich geschmeichelt fühlte.
    Trotz seines elenden Zustands hatte er sie bedingungslos verteidigt; diese Willenskraft bewunderte sie: Als er annahm, daß jemand ihm sein Territorium streitig machen wollte, hatte er sich ziemlich gut geschlagen.
    Kendall hielt nichts von Machos. Im Gegenteil, Gockelgehabe stieß sie ab. Deshalb schämte sie sich beinahe, daß sie es so genossen hatte, von diesem Mann gerettet zu werden, dessen physische Kräfte sie gleichermaßen beeindruckten wie die seines Willens.
    Â»Ich kann mich nicht mehr erinnern. Kochst du gut?« fragte er und riß sie damit aus ihren verwirrenden Gedanken.
    Â»Eher mittelmäßig, aber wir werden schon nicht verhungern.«
    Â»Das klingt, als hättest du vor, eine Weile hierzubleiben.«
    Â»Ich finde, wir sollten hierbleiben, bis du dein Gedächtnis wiedergefunden hast. Hier ist es friedlich und ruhig – ideal, um gesund zu werden.«
    Â»Was ist mit meinem Job?«
    Sie stand auf und sammelte hastig die schmutzigen Teller ein. Die ersten trug sie zur Spüle, doch als sie an den Tisch zurückkehrte, um den Rest zu holen, erschreckte er sie, indem er seine Hand in den Bund ihrer Jeans hakte und sie festhielt. Seine Knöchel gruben sich in ihren Bauch, und zu ihrem Erstaunen fand sie das Gefühl gar nicht so unangenehm.
    Â»Ich hatte doch einen Job, nicht wahr?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Was für einen?«
    Â»Wenn ich dir das sage, dann flippst du bloß aus. Du bist ein Alpha-Typ – die halten sich für unersetzlich. Sofort wieder zu arbeiten ist natürlich unmöglich. Glaub mir, dein Job läuft dir nicht davon, bis du dich erholt hast. Ich habe schon Bescheid gegeben, sie sind ganz meiner Meinung.«
    Â»Wann hast du Bescheid gegeben? Das Telefon hier ist gekappt.«
    Er hatte es also überprüft. Vor dem Unfall war er schließlich auch auf Draht gewesen. Wie hatte sie nur glauben können, eine Amnesie würde seinen Scharfsinn beeinträchtigen? Sie versuchte, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen, als sie ihm Auskunft gab. »Ich habe angerufen, als du noch im Krankenhaus warst.«
    Â»Wieso hat sich niemand bei mir gemeldet oder mir eine Karte geschickt? Ich finde das ziemlich seltsam. Im Klartext: Unglaublich.«
    Â»Der Arzt hatte jeden Besuch verboten. Er sagte, da du dich an niemanden erinnern kannst, würde es dich nur frustrieren, wenn irgendwelche Fremden an deinem Bett vorbeidefilierten.
Wohlmeinende Freunde würden dir eher schaden als helfen. Und wir waren nicht lang genug dort, daß du Post empfangen konntest.«
    Er sah sie weiter mit unverhohlener Skepsis an.
    Â»Ich habe mich um alles gekümmert. Ehrenwort«, betonte sie. »Deine Karriere steht nicht auf dem Spiel.«
    Â»Es ist also eine Karriere, nicht bloß ein Job?«
    Â»So könnte man es ausdrücken.«
    Â»Gib mir wenigstens einen Hinweis. Schuster, Schneider, Leineweber?«
    Â»Du erinnerst dich an den Vers?«
    Sein schiefes Grinsen verrutschte. »Offenbar«, rätselte er. »Wieso kann ich mich an Kinderreime erinnern, aber nicht an dich?« Sein Blick heftete sich auf ihren Busen.
    Die körperliche Nähe machte Kendall so nervös, daß sie seine Hand aus ihrem Hosenbund zog. »Kevin weint.«
    Das Babygeschrei aus dem anderen Zimmer brachte das Verhör zum ersehnten Ende. Sie konnte verstehen, daß er neugierig war, aber je weniger sie über ihr Leben vor dem Unfall sprachen, desto sicherer war sie. Jedes beliebige, scheinbar harmlose Wort konnte sein Gedächtnis wiederkehren lassen.
    Die Unterbrechung hatte sie zugleich aus jener eigenartig intimen Situation befreit, die Kendall stärker aufwühlte, als ihr lieb war. Sie mußte ihn in dem Glauben lassen, mit ihr verheiratet zu sein, ohne selbst die Grenze zu überschreiten.
    Nachdem sie Kevin gestillt hatte, badete sie ihn und wiegte ihn dann in dem Schaukelstuhl im Wohnzimmer in Schlaf, wobei sie ihm Lieder vorsang, die sie von ihrer Großmutter gelernt hatte.
    Er saß auf dem Sofa an der Wand gegenüber, das verletzte Bein auf einen Hocker gelagert. Das Licht der Lampe auf dem Beistelltisch ließ seine Augen im Dunkeln, aber Kendall
brauchte sie nicht zu sehen, um zu wissen, daß sein Blick, ruhig und wachsam wie der eines Falken, auf sie gerichtet war.
    Â»Was ist mit meiner Familie?« fragte er unvermittelt.
    Â»Deine

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