Die Zitadelle des Autarchen
war ich jedoch nicht mehr unterwegs und spürte die Schwäche in meinen Gliedern, denn ich war trotz des Essens schwächer als in den Bergen, wo ich hatte hungern müssen.
Freilich fürchtete ich Agia mehr als Hethors Notulen, seine Salamander und Schnecken. Ich kannte ihren Mut, ihre Arglist und ihre Niedertracht. Jede der scharlachgewandeten Pelerinen, die durch die Bettenreihen eilte, hätte sie sein können, ein vergiftetes Stilett unter der Tracht tragend. Ich schlief schlecht in jener Nacht; obwohl ich viel geträumt habe, sind meine Träume verworren gewesen, so daß ich sie hier nicht wiedergeben möchte.
Beim Erwachen fühlte ich mich wie gerädert. Das Fieber, das ich kaum gespürt hatte, als ich ins Lazarett kam, und das am Vortag offenbar zurückgegangen war, hatte sich wieder erhöht. Ich fühlte seine Hitze in jedem Glied – mir war, als müßte ich verglühen, als würden die Gletscher des Südens schmelzen, träte ich zwischen sie. Ich holte die Klaue hervor und drückte sie an mich, steckte sie mir eine Weile sogar in den Mund. Das Fieber sank wieder, hatte mich aber geschwächt und benommen gemacht.
An diesem Morgen besuchte mich der Soldat. Er trug anstatt seines Harnisches ein weißes Hemd, das die Pelerinen ihm gegeben hatten, wirkte aber völlig gesund und eröffnete mir, er wolle morgen wieder aufbrechen. Ich sagte, ich wolle ihn den Bekannten vorstellen, die ich in diesem Teil des Lazaretts kennengelernt hatte, und fragte, ob er sich nun an seinen Namen erinnere.
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nur an wenig erinnern. Ich hoffe, wenn ich durch die Einheiten der Armee streife, wird sich jemand finden, der mich noch kennt.«
Ich stellte ihn trotzdem vor und nannte ihn kurzerhand Miles. Ich kannte auch den Namen des Asciers nicht und erfuhr, daß keiner ihn wußte, nicht einmal Foila. Als wir ihn danach fragten, antwortete er nur: »Ich bin treuer Diener der Gruppe der Siebzehn.«
Eine Weile plauderten Foila, Melito, der Soldat und ich miteinander. Melito mochte ihn offenbar, wenn vielleicht auch nur wegen des ähnlichen Namens, den ich ihm gegeben hatte. Als der Soldat mir beim Aufsetzen half, senkte er die Stimme und sagte: »Ich muß unter vier Augen mit dir sprechen. Wie gesagt will ich morgen aufbrechen. Wenn ich dich anschaue, mein’ ich, daß du vor ein paar Tagen nicht rauskommst – es könnt’ auch ein paar Wochen dauern. Vielleicht sehen wir uns nie wieder.«
»Hoffen wir nicht.«
»’s wär’ schade. Aber wenn ich meine Legion nicht finde, bin ich vielleicht schon tot, wenn du genesen bist. Und wenn ich sie nicht finde, geh’ ich wohl in eine andere, damit ich nicht als Fahnenflüchtiger verhaftet werde.« Er machte eine Pause.
Ich lächelte. »Ich sterb’ vielleicht hier, an diesem Fieber. Du hast dich gescheut, das auszusprechen. Seh’ ich so schlecht aus wie der arme Melito?« Er schüttelte den Kopf. »So schlecht nicht, nein. Ich glaube, du schaffst es …«
»… sang die Drossel, als der Luchs den Hasen um den Lorbeerbaum jagte.«
Nun war er’s, der lächelte. »Ganz recht; das wollte ich auch gerade sagen.«
»Ist das ein gebräuchlicher Ausdruck in jenem Teil der Republik, in dem du aufgewachsen bist?«
Sein Lächeln verschwand. »Weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern, wo meine Heimat ist – das ist es ja, weswegen ich dich sprechen muß. Ich entsinne mich, mit dir nachts auf einer Straße zu wandern – das ist das einzige, woran ich mich vor dem Lazarett erinnern kann. Wo hast du mich gefunden?«
»In einem Wald, fünf bis zehn Meilen südlich von hier. Weißt du noch, was ich dir unterwegs von der Klaue erzählt habe?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du hast so etwas erwähnt, aber was genau du gesagt hast, das hab’ ich wohl vergessen.«
»Was weißt du noch? Erzähl mir alles, und ich sage dir, was ich weiß und was ich vermute.«
»Bin mit dir gegangen. Tiefe Finsternis … Ich falle oder fliege hindurch. Seh’ das eigene Gesicht, vervielfacht. Ein Mädchen mit rotblondem Haar und großen Augen.«
»Eine schöne Frau?«
Er nickte. »Die schönste der Welt.«
Ich fragte laut, ob jemand einen Spiegel hätte, den er uns kurz borgen könnte. Foila zog einen aus dem Beutel unter ihrem Feldbett, und ich hielt ihn dem Soldaten hin. »Dieses Gesicht?«
Er zögerte. »Ich glaube ja.«
»Blaue Augen?«
»… bin mir nicht sicher.«
Ich gab Foila den Spiegel zurück. »Ich erzähle dir noch einmal, was ich dir auf dem Weg
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