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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Essen ist nicht verhext, falls du so etwas fürchtest.«
    Ich schämte mich, weil ich Verpflegung für die Reise mitgenommen und noch etwas für den Heimweg übrig hatte; allerdings sagte ich: »Ich hätte gern ein bißchen Brot, wenn Ihr welches entbehren könnt.«
    Er gab mir einen Laib Brot, von dem die Hälfte bereits abgeschnitten war (mit einem recht scharfen Messer, fiel mir auf), ein Stück Käse, in Silberpapier eingewickelt, und einen trockenen Weißwein.
    »Mannea ist eine gute Frau«, meinte er. »Und du, denke ich, bist einer jener guten Männer, die nicht wissen, daß sie es sind – manchmal wird gesagt, das seien die einzigen guten. Glaubt sie, ich könne dir helfen?«
    »Sie glaubt eher, daß ich Euch helfen könne, Meister Ash. Die Soldaten der Republik sind auf dem Rückzug, und bald wird in dieser Gegend der Krieg wüten – und die Ascier danach.«
    Er lächelte wieder. »Die Schattenlosen. Das ist eine der vielen Bezeichnungen, die allesamt falsch und zugleich so passend sind. Was würdest du davon halten, wenn ein Ascier dir sagte, daß er wirklich keinen Schatten werfe?«
    »Weiß nicht«, versetzte ich. »Hab’ ich noch nie gehört, so etwas.«
    »Ist eine alte Geschichte. Magst du alte Geschichten? Aha, ich sehe, wie deine Augen funkeln. Wenn ich doch nur ein besserer Erzähler wär’. Ihr nennt eure Feinde Ascier, wobei sie selbst sich natürlich nicht so nennen, weil eure Väter geglaubt haben, sie kämen vom Äquator, wo die Sonne am Mittag genau senkrecht stehe. Eigentlich sind sie aber viel nördlicher daheim. Dennoch heißen sie Ascier. Einer Sage nach, die aus den frühesten Tagen unsrer Rasse stammt, hat einmal ein Mann einen Schatten verkauft. Daraufhin wurde er überall, wohin er auch ging, vertrieben. Keiner wollte glauben, daß er ein Mensch sei.«
    Während ich vom Wein kostete, dachte ich an den ascischen Gefangenen, dessen Feldbett neben dem meinen gestanden hatte. »Hat dieser Mann seinen Schatten je zurückbekommen, Meister Ash?«
    »Nein. Aber eine Zeitlang zog er mit einem Mann, der kein Spiegelbild hatte.«
    Meister Ash verstummte. Dann meinte er: »Mannea ist eine herzensgute Frau; ich wünschte, ich könnte ihrer Bitte nachkommen. Aber ich kann nicht gehn. Der Krieg wird mich hier nie erreichen, ganz gleich, wie die Fronten auch liegen mögen.«
    Ich schlug vor: »Vielleicht wär’s Euch möglich, mitzukommen und die Chatelaine davon selbst zu überzeugen.«
    »Auch das kann ich nicht.«
    Nun wurde mir klar, daß ich ihn gewaltsam mitnehmen müßte, sah allerdings keinen Grund, schon jetzt handgreiflich zu werden; dazu gäb’s morgen früh Gelegenheit genug. Ich zuckte die Achseln, als hätte ich mich schon damit abgefunden, und fragte: »Darf ich wenigstens hier übernachten? Ich muß zwar zurück und Euren Entschluß melden, aber es sind mindestens fünfzehn Meilen oder mehr, und ich könnte jetzt keinen Schritt mehr gehn.«
    Wieder bemerkte ich ein feines Lächeln, wie man es in einer Elfenbeinschnitzerei zu sehen bekäme, wenn eine geschwenkte Fackel den Schatten der Lippen veränderte. »Ich habe gehofft, von dir allerlei Neues aus der Welt zu erfahren«, sagte er. »Aber wie ich sehe, bist du müde. Komm mit, wenn du zu Ende gegessen hast! Ich zeige dir dann dein Bett.«
    »Ich habe zwar keine höfischen Manieren, Meister, aber bin auch nicht so ungesittet, mich schlafen zu legen, wenn mein Gastgeber meine Gesellschaft und das Gespräch mit mir wünscht – obwohl ich, fürcht’ ich, herzlich wenig zu berichten weiß. Wie ich von meinen Leidensgenossen im Lazarett erfahren habe, wird der Krieg von Tag zu Tag heftiger. Legionen und halbe Legionen rücken zu unsrer Verstärkung an. Die Ascier bekommen ganze Armeen dazu. Außerdem verfügen sie über schwerste Artillerie, so daß wir uns mehr auf unsere Lanzenreiter verlassen müssen, die flink angreifen und den Feind in Nahgefechte verwickeln, ehe die schweren Geschütze in Feuerstellung gebracht sind. Sie haben auch viel mehr Flieger als letztes Jahr, obwohl wir eine ganze Menge zerstört haben. Der Autarch führt höchsteigen das Kommando und hat viele seiner Hoftruppen vom Haus Absolut mitgebracht. Aber …« Achselzuckend hielt ich inne und biß von Brot und Käse ab.
    »Kriegskunst und Kriegsführung waren mir schon immer der langweiligste Teil der Geschichtswissenschaft. Doch freilich gibt es auch da bestimmte Gesetze. Wenn in einem langen Krieg eine Seite plötzlich sehr stark wird, so gibt es dafür

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