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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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gewöhnlich einen von drei Gründen. Der erste ist, daß sie ein neues Bündnis eingegangen ist. Unterscheiden sich die Soldaten dieser neuen Armeen irgendwie von den alten?
    »Ja«, antwortete ich. »Ich habe gehört, sie sind jünger und insgesamt schwächer. Und es sind mehr Frauen darunter.«
    »Kein Unterschied in Sprache oder Uniform?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann können wir einstweilen eine Allianz ausklammern. Die zweite Möglichkeit wäre die Beendigung eines anderen Krieges an einer anderen Front. Wenn dem so wäre, bestünde jedoch die Verstärkung aus Veteranen. Das ist, wie du sagst, nicht der Fall, also bleibt nur die dritte. Aus irgendeinem Grund brauchen eure Widersacher unverzüglich einen Sieg und geben ihr Letztes.«
    Ich hatte das Brot aufgezehrt, war nun aber wirklich neugierig geworden. »Aber weswegen denn?«
    »Ohne Näheres zu wissen, kann ich das nicht sagen. Vielleicht fürchten ihre Führer das Volk, das den Krieg müde geworden ist.
    Vielleicht sind alle Ascier nur Diener, Unfreie, und drohen deren Herren nun, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.«
    »Ihr gebt einem Hoffnung und macht sie im nächsten Moment wieder zunichte.«
    »Nicht ich, sondern die Geschichte. Bist du an der Front gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist gut. In vielerlei Hinsicht gilt, je mehr man vom Krieg sieht, desto weniger weiß man darüber Bescheid. Wie verhält es sich mit dem Volk unserer Republik? Steht es geeint hinter dem Autarchen? Oder hat der Krieg es so ausgemergelt, daß es nach Frieden schreit?«
    Ich lachte darüber, und die ganze Verbitterung, die es mir so leicht gemacht hatte, zu Vodalus’ Lager zu wechseln, kehrte zurück. »Ist es geeint? Schreit es nach Frieden? Ich weiß, Meister, Ihr habt Euch hierher aus der Welt zurückgezogen, um Euch auf höhere Dinge zu besinnen, aber ich hätte nie geglaubt, daß jemand so wenig über das Land, in dem er lebt, wissen könnte. Karrieremacher, Söldner und junge Haudegen tragen den Krieg aus. Hundert Meilen südlich von hier ist der Krieg außerhalb des Hauses Absolut weniger als ein Gerücht.«
    Meister Ash schürzte die Lippen. »Eure Republik ist stärker, als ich vermutet hätte. Kein Wunder, daß eure Widersacher in Verzweiflung geraten.«
    »Wenn das Stärke ist, möge uns der Allbarmherzige vor Schwäche bewahren. Meister Ash, die Front kann in jedem Moment zusammenbrechen. Es wäre nur klug, wenn Ihr mit mir an einen sichereren Ort kämet.«
    Offenbar hatte er mich nicht gehört. »Wenn Erebus, Abaia und die übrigen selbst ins Feld ziehen, gibt’s einen neuen Kampf. Wenn und falls. Interessant. Aber du bist müde.
    Komm mit! Ich zeige dir dein Bett und die höheren Dinge, denen ich hier nachgehe, wie du gesagt hast.«
    Wir erstiegen die Treppe bis zum zweiten Absatz und betraten ein Zimmer, das jenes gewesen sein mußte, in dem ich am Abend zuvor ein Licht entdeckt hatte. Es war ein breiter Saal mit vielen Fenstern, der das gesamte Stockwerk ausfüllte. Es befanden sich darin Maschinen – kleinere und nicht so viele wie in Baldanders’ Burg –, aber auch Tische und Dokumente und unzählige Bücher und ein schmales Bett in der Mitte.
    »Hier halte ich mein Nickerchen«, erklärte Meister Ash, »wenn meine Arbeit mich nicht zur Ruhe kommen läßt. Es ist nicht gerade groß für einen Mann deiner Statur, aber ich hoffe, du kannst einigermaßen bequem darauf liegen.«
    Ich hatte in der letzten Nacht auf Stein geschlafen; das Bett wirkte wahrlich verlockend.
    Nachdem er mir gezeigt hatte, wo ich mich erleichtern und waschen konnte, ging er. Das letzte, was ich von ihm gesehen hatte, bevor er das Licht löschte, war jenes vollendete Lächeln gewesen.
    Als sich im nächsten Augenblick meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wunderte ich mich nicht mehr darüber, denn außerhalb all der vielen Fenster erstrahlte ein grenzenloser, glanzvoller Lichtschein. »Wir sind über den Wolken«, sagte ich mir (nun selbst halb lächelnd). »Das heißt, ein paar tiefe Wolken haben diesen Berg eingehüllt, ohne daß ich es in der Dunkelheit bemerkt hätte, was ihm aber durchaus bekannt ist. Nun sehe ich die Wolken von oben – hohe Dinge, gewiß – wie ich sie auch aus Typhons Augen von oben gesehen habe.« Woraufhin ich mich schlafen legte.
     

 
Ragnarök – der letzte Winter
     
    Es mutete mich seltsam an, ohne eine Waffe zu erwachen, obgleich das aus unerklärlichen Gründen der erste Morgen war, an dem mich ein solches Gefühl

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