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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Tier meines Wohltäters gehörte zu jener dritten Klasse (einer weit verbreiteten, wie ich inzwischen weiß), die sich aus solchen Tieren zusammensetzt, die schneller als die Vögel sind, sich aber wie mit Eisenbeinen auf Steinpflaster bewegen. Ein Mann ist in vielerlei Hinsicht dem Weib gegenüber im Vorteil, weshalb ihm zu recht die Aufgabe des Beschützers zufällt; einen gewichtigen Vorteil freilich hat das Weib aufzuweisen: noch keine Sie hat sich zwischen dem eigenen Becken und dem knöchernen Rückgrat eines solchen Rohlings die Fortpflanzungsorgane gequetscht, wie es mir an die zwanzig bis dreißig Mal passiert ist, ehe wir angehalten haben. Als ich mich endlich aus der Kruppe schwingen durfte und mit einem Satz vor einem schlagenden Huf rettete, war meine Laune also nicht die beste.
    Wir standen auf einem jener kleinen verlassenen Äcker, wie man sie hie und da zwischen Hügeln findet, einem mehr oder weniger ebenen Feld, das an die hundert Schritte breit war. Ein Zelt von der Größe einer Hütte war mitten darin aufgestellt, und eine schwarzgrüne Fahne flatterte davor. Mehrere Dutzend Renner, deren Vorderbeine gefesselt waren, grasten das Feld ab, während genauso viele zerlumpte Männer in Gesellschaft einiger verwahrloster Damen herumsaßen und ihre Waffen reinigten, ein Nickerchen hielten oder würfelten.
    »Seht her!« rief mein Wohltäter, nachdem er abgesessen und sich neben mich gestellt hatte. »Wir haben einen neuen Rekruten!« Und an mich gewandt: »Severian von Nessus, du stehst vor dem 18. Bacele der Irregulären Contarii – jeder Mann ein unerschrockener Krieger, wenn ein Batzen Geld winkt.«
    Die zerlumpten Männer und Frauen standen auf und näherten sich uns allmählich, wobei die meisten dreist grinsten. Ein großwüchsiger und spindeldürrer Mann führte sie an.
    »Kameraden, ich gebe euch Severian von Nessus! Severian«, fuhr mein Wohltäter fort, »ich bin dein Kondottiere. Nenn mich Guasacht. Diese Bohnenstange hier, größer noch als du, ist Erblon, mein Vertreter. Die übrigen werden sich bestimmt selber vorstellen.
    Erblon, ich muß dich sprechen. Morgen gibt’s Patrouillen.« Er nahm den großwüchsigen Mann beim Arm und führte ihn ins Zelt, während ich bei den Reitern blieb, die mich mittlerweile umzingelt hatten.
    Einer der kräftigsten, ein Bär von Mann, der fast meine Größe und mindestens das doppelte Gewicht hatte, deutete auf das Krummschwert. »Hast keine Scheide dafür? Zeig’s uns mal!«
    Ich gab es ihm widerspruchslos; was immer auch als nächstes geschähe, zum Morden käm’s dabei – dessen war ich mir sicher – nicht.
    »Bist also ein Reiter, was?«
    »Nein«, versetzte ich. »Ich bin zwar schon mal geritten, aber durchaus kein Könner.«
    »Aber du weißt, wie man mit ihnen umgeht?«
    »Mit Männern und Frauen kenn’ ich mich besser aus.«
    Jeder lachte hierauf, und der starkgebaute Mann sagte: »Nun, macht gar nichts. Wirst eh nicht viel zum Reiten kommen. Daß du dich auf Frauen – und Rosse – verstehst, wird’s dir leichter machen.«
    Während er sprach, vernahm ich Hufgetrappel. Zwei Männer führten einen Schecken heran, ein starkes Tier mit funkelnden Augen. Die Zügelenden waren aufgeschnallt und verlängert worden, wodurch die zwei Männer jeweils etwa drei Schritt seitlich seines Kopfes stehen konnten. Eine Dirne mit fuchsrotem Haarschopf und grinsender Miene saß unbeschwert im Sattel und hielt anstelle der Zügel in jeder Hand eine Peitsche. Die Söldner und ihre Frauen jubelten und klatschten Beifall, so daß der Schecke sich wie ein Wirbelwind aufbäumte und mit den Vorderbeinen wild in der Luft herumfuchtelte, wobei er die drei behornten Zehen zeigte, die gleichermaßen Halt im Boden gaben und als Waffe dienen konnten – auch wenn wir sie schlicht Hufe nennen. Den Finten vermochte ich mit den Augen nicht zu folgen.
    Der starkgebaute Mann klopfte mir auf den Rücken. »Hatte schon bessere Stücke, aber er ist nicht schlecht. Hab’ ihn selber zugeritten. Mesrop und Lactan geben dir gleich die Zügel, und alles, was du tun mußt, ist aufzusitzen. Wenn du das schaffst, ohne Daria herunterzustoßen, kannst sie haben, bis wir dich eingeholt und aus dem Sattel gezogen haben.« Sodann verkündete er laut: »Alles klar, loslassen!«
    Ich hatte damit gerechnet, daß die beiden Männer mir die Zügel in die Hand drücken würden; statt dessen warfen sie sie mir ins Gesicht. Ich wollte sie auffangen, aber erwischte nicht einmal einen. Jemand

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