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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Schlachtordnung mehr; taktieren mußte nun jeder für sich selbst.
    Meine Taktik beschränkte sich darauf, vor jedem Zwerg, der schußbereit aussah, abzuschwenken und zu versuchen, andere von hinten oder von der Seite anzufallen. Dieses Vorgehen bewährte sich durchaus, falls es ausführbar war. Obgleich die Zwerge, wie sich rasch zeigte, beinahe hilflos waren, wenn die Blinden, auf denen sie ritten, unter ihnen getötet wurden, liefen ihre hünenhaften Träger Amok und griffen wie rasend alles an, was sich ihnen in den Weg stellte, so daß sie dann gefährlicher denn je wurden.
    Bald hatten die Pfeile der Zwerge und unsere Conti im Gras Dutzende Feuer entzündet. Der beißende Rauch verschlimmerte das Durcheinander noch. Daria und Guasacht und alle mir Vertrauten hatte ich längst aus den Augen verloren. In dem grauen Brodem konnte ich nur eine Gestalt auf einem sich nach vorn werfenden Streitroß ausmachen, die gegen vier Ascier kämpfte. Ich eilte zu ihr, und obwohl ein Zwerg sein blindes Roß wendete und sein Pfeil an meinem Ohr vorbeischwirrte, ritt ich sie nieder und hörte die Knochen des Blinden unter den Hufen des Schecken bersten. Eine haarige Gestalt erhob sich aus dem schwelenden Gras hinter dem anderen Reiterspaar und hackte es nieder wie ein Holzfäller einen Baum – drei oder vier Axthiebe an dieselbe Stelle, bis der Blinde umstürzte.
    Der Berittene, dem ich zu Hilfe gekommen war, gehörte nicht zu unserm Trupp, sondern war einer der Wilden, die vorher zu unsrer Rechten gelegen hatten. Er war verwundet, was mich an meine eigene Wunde erinnerte. Mein Bein war steif, und ich war fast am Ende meiner Kräfte. Ich wäre zum Südhang des Tals und meinen eigenen Linien zurückgeritten, wenn ich gewußt hätte, welche Richtung ich einschlagen müßte. Nun ließ ich den Schecken frei gehen und trieb ihn durch einen kräftigen Klaps mit den Zügelenden an, hatte ich doch gehört, daß ein solches Tier oft dorthin zurückkehrt, wo es zuletzt getränkt wurde und ruhen durfte. Er fing an zu kantern und verfiel bald in Galopp. Einmal sprang er, wobei ich fast gestürzt wäre und unter uns ein Streitroß und den toten Erblon mit seinem Horn und der schwarzgrünen Fahne im glimmenden Gras liegen sah. Ich wollte den Scheck wenden und umkehren, aber als ich ihn endlich zum Stehen gebracht hatte, wußte ich die Stelle nicht mehr. Zu meiner Rechten tauchte im Rauch eine dunkle, fast formlose, aber geschlossene Reihe von Berittenen auf. Dahinter ragte drohend eine Maschine auf, die Feuerblitze verschleuderte; eine Maschine gleich einem wandelnden Turm.
    Bald waren sie fast unsichtbar, bald waren sie über mir wie ein Wirbelwind. Ich kann nicht sagen, was das für Reiter gewesen sind oder was für Tiere sie geritten haben; nicht weil ich’s vergessen hätte (denn ich vergesse nichts), sondern weil ich nichts Genaues hab’ sehen können. Zu kämpfen stand außer Frage; nun ging’s ums nackte Überleben. Ich parierte einen Hieb mit einer gedrehten Waffe, die weder Axt noch Schwert war; der Schecke stieg auf die Hinterhand, und ich sah einen Pfeil gleich einem glühenden Horn aus seiner Brust ragen. Ein Reiter krachte gegen uns, und wir stürzten ins Dunkel.
     

 
Die pelagische Argosie sieht Land
     
    Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, war das erste, was ich spürte, der Schmerz in meinem Bein. Es war unter dem Leib meines Schecken eingeklemmt, und ich hatte schon versucht, mich zu befreien, noch ehe ich richtig wußte, wer ich sei oder was mir geschehen sei. Meine Hände und mein Gesicht, selbst der Boden, auf dem ich lag, waren mit einer Blutkruste überzogen.
    Und es war still – totenstill. Ich lauschte nach Hufschlag, jenem Trommelwirbel, der sich die Urth gleichsam zur Trommel macht. Es war nichts zu hören. Zu hören war auch nicht das Gebrüll der Cherkajer und das schrille, tolle Gekreische vom Schachbrett der ascischen Infanterie. Ich wollte mich umdrehen und gegen den Sattel stemmen, aber es gelang mir nicht.
    Irgendwo auf einem der Hügel, die das Tal umschlossen, heulte ein grimmiger Wolf zum Mond. Dieses unmenschliche Gebrüll, das Thecla schon ein paarmal gehört hatte, wenn der Hof bei Silva auf Jagd ging, ließ mich erkennen, daß mein getrübtes Augenlicht weder vom Grasfeuer herrührte, das an diesem Tag gebrannt hatte, noch von einer Kopfverletzung, wie ich befürchtet hatte. Es herrschte Dämmerung, obschon ich nicht wußte, ob Abenddämmerung oder Morgengrauen.
    Ich ruhte mich aus und

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