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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Attacke mitreiten?«
    Ich fühlte mich stark wie eh und je und sagte ihm das.
    »Trotzdem sollte das Bein verbunden werden.«
    Das versengte Fleisch war aufgeplatzt; Blut drang aus der Wunde. Daria, die unversehrt geblieben war, legte einen Verband an.
    Die Attacke, auf die ich vorbereitet worden war, fand nicht statt. Ganz überraschend (zumindest für mich) kam der Befehl zum Wenden, und wir trabten nordostwärts über weites, sanft gewelltes Wiesenland, wo rauhes Gras sich im Wind wiegte.
    Die Wilden waren anscheinend verschwunden. Eine neue Truppe war an ihre Stelle getreten an der Flanke, die nun zu unsrer Front geworden war. Zunächst hielt ich sie für eine Kavallerie auf Zentauren – Fabelwesen, die im braunen Buch abgebildet waren. Ich sah die Köpfe und Schultern der Reiter über den massigen Menschenhäuptern ihrer Reittiere, und beide schienen Waffen zu tragen. Als sie näher kamen, erkannte ich, daß es sich nicht um solche phantastischen Geschöpfe handelte: es waren schlicht Männlein – richtige Zwerge –, die auf den Schultern großer Kerle hockten.
    Wir bewegten uns fast parallel zueinander, hielten aber auf dasselbe Ziel zu. Die anscheinend finster dreinschauenden Zwerge behielten uns ständig im Auge. Die großen Männer würdigten uns aber keines Blickes. Als schließlich nur mehr ein paar Ketten zwischen unsrer Kolonne und ihren Reihen lagen, hielten wir an und kehrten uns ihnen zu. Nun erkannte ich zu meinem Entsetzen, daß diese seltsamen Reiterpaare Ascier waren; unser Manöver sollte verhindern, daß sie den Peltasten in die Flanke fielen, was insofern gelungen war, als sie ihren Angriff nun durch uns hindurch ausführen müßten. Es schienen ihrer allerdings an die fünftausend zu sein, also viel mehr, als wir niederzukämpfen vermöchten.
    Dennoch griffen sie nicht an. Wir hatten angehalten und uns Bügel an Bügel aufgestellt. Trotz ihrer Überzahl drängten sie hin und her, als wollten sie bald rechts, bald links und wieder rechts an uns vorbeiziehn. Es war jedoch klar, daß sie keineswegs passieren könnten, es sei denn, ein Teil ihrer Truppe griffe unsre Front an, um zu verhindern, daß wir den übrigen in den Rücken fielen. Als hofften wir, damit die Auseinandersetzung aufzuschieben, feuerten wir nicht.
    Nun erlebten wir, daß sich das Verhalten des einzelnen Speerwerfers, der sein Karree verlassen hatte, um uns anzugreifen, wiederholte. Einer der großen Männer stürmte vorwärts. In einer Hand trug er einen Stock, kaum mehr als eine Rute; in der andern führte er ein sogenanntes Shotel, ein Schwert mit einer sehr langen, zweischneidigen Klinge, deren unteres Ende halbkreisförmig eingebogen ist. Beim Näherkommen wurde er langsamer, und ich erkannte, daß seine Augen starr – ja richtig blind waren. Der Zwerg auf seiner Schulter hatte einen Pfeil in die Sehne seines kurzen, mehrfach gekrümmten Bogens eingelegt. Als dieses Paar bis auf eine halbe Kette herangekommen war, kommandierte Erblon zwei Männer ab, sie wegzujagen. Bevor sie den Blinden erreichten, hatte er zu laufen angefangen und flitzte nun so schnell wie ein Streitroß, aber gespenstisch leise, in unsre Richtung. Acht oder zehn Kavalleristen feuerten, aber nun sah ich, wie schwer es ist, auf ein bewegtes Ziel von solcher Geschwindigkeit zu zielen. Der Pfeil explodierte beim Aufschlag als orangefarbene Lohe. Ein Kavallerist wollte den Stock des Blinden abwehren – das Shotel fuhr nieder und spaltete ihm mit seiner krummen Klinge den Schädel.
    Sodann löste sich eine Gruppe aus drei Blinden mit drei Reitern aus den feindlichen Linien. Ehe sie uns erreichten, waren schon wieder andere mit fünf oder sechs Paaren unterwegs. Weit hinten an unsrer Linie hob der Hipparch den Arm; Guasacht winkte uns voran, und Erblon blies zum Sturm. Links und rechts wiederholte sich der Hornstoß als Echo – ein Heulton, wie von tiefstimmigen Glocken getragen.
    Obgleich ich’s damals noch nicht gewußt habe, ist es von vornherein sicher, daß ein Gefecht zwischen zwei Reitereien in bloße Geplänkel zerfällt. So geschah es auch hier. Wir ritten gegen sie an, und ritten, obgleich es uns zwanzig bis dreißig Mann kostete, durch sie hindurch. Sofort machten wir kehrt und griffen wieder an, zum einen, um die Flanke der Peltasten zu schützen, zum andern, um mit unserm Heer in Verbindung zu bleiben. Selbstverständlich kehrten auch sie sich wieder um und uns zu; und binnen kurzer Zeit gab’s auf beiden Seiten keinerlei Front und

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